Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
ernst an. Er klang mindestens ebenso zornig wie der Kustos. »Ich kannte auch ihren Namen. Kuneke. Sie war sehr nett und freundlich. Ich habe sie nur bei der Messe getroffen. Sonst nie. Ich habe ihr nie die Beichte abgenommen. Eure Reden missfallen mir. Sehr sogar.«
Caspar war zusammengezuckt. Seine Zähne knirschten laut vor Zorn.
Ludolf wendete sich an den Bischof. »Euer Ehrwürden, Euch und Euren hochgeschätzten Brüdern möchte ich eine kleine Geschichte erzählen. Die Witwe Kuneke geht wie jeden Sonntag zur Inklusin auf den Berg. Sie beichtet bei Caspar von Ilse, wie sie es schön öfters getan hat. Sie beichtet, dass sie ein Kind von Herrn Wedekind bekommt. Ihr Herz ist schwer; denn sie weiß, dass sie gegen göttliches Recht verstoßen hat. Für den Pater bricht eine Welt zusammen. Nicht, weil sie etwas getan hat, was nur Eheleuten vorbehalten ist. Nein, für den Pater bricht die Vorstellung von einem immer stärkeren, größeren und einflussreicheren Domkapitel in sich zusammen! Es wird einen Nachkommen geben! Er kann nicht zulassen, dass Burg und Herrschaft von der Frau und ihrem Bastard gestohlen werden!«
»Wieso stehlen?«, warf Otto vom Berge ein.
»Pater Caspar von Ilse zitierte gestern aus dem Evangelium des Markus. Christus prangerte da das Verhalten der scheinheiligen Pharisäer an. Der Pater sagte, dass durch einen Nachkommen aus der Familie vom Berge der Mutter Kirche ihr rechtmäßiger Anteil gestohlen wird.«
Der Kustos war so heftig aufgesprungen, dass sein Stuhl klappernd nach hinten geschleudert wurde. Fast wäre das Möbelstück umgekippt. »Ihr beschuldigt mich des Mordes?«, schrie er in den Raum. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Seine Augen schleuderten tödliche Pfeile.
Aber Ludolf hielt dem wütenden Blick stand. Er atmete tief durch, da er wusste, dass er nun am Ziel war. »Ja!«
»Wie könnt Ihr es wagen! Einen Mann der allerheiligsten Kirche auf so gemeine und hinterhältige Art anzuklagen! Meinen tadellosen Ruf beschmutzen zu wollen! Ich lasse Euch exkommunizieren und als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrennen!«
Der Bischof fuhr ihm in die Rede und wies den Priester mit scharfen Worten in seine Schranken. Alle schauten gebannt auf die beiden Geistlichen. Keiner wagte, auch nur den kleinsten Laut von sich zu geben. Schließlich gab Caspar von Ilse nach. Er verbeugte sich auffallend tief vor dem Bischof und setzte sich wieder auf seinen Platz. Das böse Funkeln in den Augen blieb jedoch.
»Das sind schwerwiegende Anschuldigungen, gibt es Beweise dafür?« Otto klang noch immer aufgewühlt und ärgerlich.
Deshalb beeilte sich Ludolf mit der Antwort. »Ja. Kennt Ihr dieses Wappen?«
Er ging zum Bischof und überreichte ihm den Rosenkranz, der bei Kuneke gefunden worden war.
Der Priester überlegte einen Augenblick und reichte seinem Bruder Simon die Gebetshilfe. Der schlug sich plötzlich gegen die Stirn, nahm einem Einfall folgend die Listen, die noch auf dem Boden neben seinem Stuhl lagen. Ähnlich wie Ludolf gestern verglich er das Siegel auf dem Dokument des Domkapitels von 1381 mit dem Wappen. »Es ist das Wappen von unserem Caspar von Ilse. Woher habt Ihr das?«
Der Kustos war bei der Nennung seines Namens wieder aufgesprungen »Um was geht es hier?«
Ludolf bat Simon vom Berge um die Kette und zeigte sie Caspar. »Ist das zufälligerweise Euer Rosenkranz?«
»Möglich. So einen habe ich gehabt. Wo habt Ihr ihn gefunden?«
»Die Schwestern im Hospital fanden ihn in der Hand von Kuneke. Sie hielt den Rosenkranz ganz fest in ihrer Hand, als würde ihr Leben daran hängen. Die Schwestern haben ihn gesäubert und dann zusammen mit anderen Habseligkeiten uns gegeben. Könnt Ihr Euch noch daran erinnern, wie die Sterbende an Euren Rosenkranz kam?«
»Das ist sehr einfach. Das müsste selbst Euch einleuchten. Ihr habt doch sicherlich nicht vergessen, dass ich zur Beichte gerufen wurde? Ich hatte großes Mitleid mit der armen, sterbenden Frau. Als wollte sie die Rettung für ihre Seele ergreifen, berührte sie voller Gottvertrauen den Rosenkranz. Ich war tief bewegt von diesem großartigen Ausdruck ihres Glaubens und überließ ihn ihr zur Stärkung. Ich will doch nicht vermuten, dass Ihr mir meinen bescheidenen Ausdruck der Nächstenliebe zum Vorwurf machen wollt?«
Nun konnte Ludolf es sich nicht verkneifen, gestenreich zu übertreiben. Er legte seine Stirn in Falten und kratzte sich auffällig am Kinn. »Sollte das bedeuten, dass die Schwestern im Hospital
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