Die Herren vom Berge: Historischer Kriminalroman (German Edition)
gesehen, dass Resenbach betrogen hat und aller Wahrscheinlichkeit nach den Entdecker seiner Untat erschlagen hat. Und weil er die verdächtigen Dokumente nicht bekam, hat er auch die Frau erschlagen. Das ist doch das Endergebnis, nicht wahr?«
»Das dachten wir auch erst. Aber so ist es leider nicht. Kunekes Mörder ist jemand anderes.«
»Und wer?«
»Er ist heute hier. Ihr werdet es sofort erfahren.«
Plötzlich waren wieder alle hellhörig geworden. Das allgemeine Gemurmel, das nach der Beweisführung immer lauter geworden war, verstummte augenblicklich. Alle Augen richteten sich erwartungsvoll auf Agnes. Wer sonst hätte es sein können? Wer sonst hätte vom Tod der Witwe profitieren sollen? Dann setzte das Raunen wieder ein und zwar lauter als vorher. Überall wurde getuschelt. Nur die beiden jungen Leute sahen zufrieden aus. Sie wussten sehr genau, dass nun der Höhepunkt kam.
Kunekes Mörder
Nach einer Pause, in der die Anspannung fühlbar war, eröffnete Agnes den letzten Akt der Tragödie.
»Erst gestern wurde uns klar, dass eine weitere Person vom Tod der Witwe Wiegand profitiert. Aber um diesen Vorteil zu sehen, muss ich nochmals Eure Geduld strapazieren und weiter ausholen. Der ehrwürdige Caspar von Ilse war uns gegenüber sehr hilfreich, um die Verhältnisse zwischen Vogtei und Dom zu verdeutlichen.« Sie neigte sich in dessen Richtung: »Danke für Eure Mühe.«
Der Kustos richtete sich in seinem Stuhl auf und deutete ebenfalls eine Verbeugung an. »Das war für mich selbstverständlich. Wer im Auftrage unseres Hochwürden Bischof Ottos kommt, verdient jede Unterstützung. Diese leiste ich gern, in aller Bescheidenheit.«
»Das adelige Haus vom Berge hat mehrere hervorragende Söhne hervorgebracht. Aber nur Euch, hoher Herr Wedekind vom Berge, ist es als Einzigem erlaubt, zu heiraten und Kinder zu haben. Die anderen haben durch das ehrenwerte Kirchenamt auf das Vorrecht verzichtet, eine eigene Familie zu gründen. Eure Schwester Elisabeth blieb leider auch kinderlos. Wer erbt nun den Besitz der Herren vom Berge, wenn es keinen Nachkommen gibt? Wem fallen Burg und Ländereien nach Eurem Tod zu, hoher Herr Wedekind? Bitte verzeiht diese aufdringliche Frage. Ich wünsche Euch und allen Anwesenden noch ein gesundes, langes Leben. Versteht es nur als Vermutung, als die Überlegung einer jungen, neugierigen Frau.«
Der Kirchenvogt überlegte einen Augenblick und schaute seinen Bruder Otto fragend an. Der Bischof nickte nur einmal kurz.
»Einer meiner Brüder bekommt den Besitz. Je nachdem, was festgelegt wird. Oder wer selbst noch in der Lage ist, die Verwaltung zu übernehmen. Otto, Simon oder Gerhard.«
»Und was geschieht nach deren Tod?«
Jetzt meldete sich der Bischof zu Wort. »Wie mein Bruder schon andeutete, ist noch nichts endgültig festgelegt. Aber möglicherweise wird alles an unsere Mutter Kirche fallen, da hier nach Minden und zum Domkapitel die engsten Verbindungen bestehen. Unsere Familie stellt schließlich seit Jahrhunderten den Schirmvogt.«
»Aber angenommen, der Herr Wedekind bekommt doch noch einen Sohn?«
»Dann erbt dieser Sohn alles. Dann wird er der neue Kirchenvogt von Minden.«
»... und das Domkapitel geht leer aus. Wäre das nicht ein herber und schmerzlicher Verlust?«
Die drei Brüder blickten Agnes erstaunt an.
Der Bischof versicherte: »Nein. Der bisherige Zustand bleibt erhalten. So ist es doch schon seit Generationen.«
»Könnte aber die Kirche nicht enttäuscht sein? Sie hat auf die Vermehrung ihres Besitzes und Einflusses gehofft, und plötzlich ist das alles wieder rückgängig gemacht.«
Johann von Rottorf war aufgestanden und schritt langsam zu Agnes hinüber. »Ihr seid zu klug, junge Frau, um nicht schon vorher unsere Antwort zu wissen. Wir planen nicht mit dem Leid anderer Menschen. Wir freuen uns nicht über den Tod von Menschen, nur weil wir im Testament bedacht werden könnten. Und meine ehrenwerten Mitbrüder hier auch nicht. Das kann ich mit voller Überzeugung schwören.«
Die drei Herren vom Berge murmelten ihre Zustimmung.
Agnes verneigte sich vor ihnen. »Das habe ich auch nie angenommen, Ihr ehrwürdigen Herren. Wenn aber jemand anderes erfährt, dass es einen Nachkommen geben würde, könnte er da nicht denken, er müsse das verhindern?«
Jetzt sprang auch Simon auf. Seine Stimme klang aufgewühlt, ärgerlich. »Das wäre wahrlich ein starkes Stück! Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es Leute gibt, die so denken. Man weiß ja
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