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Die Herren von Buchhorn

Titel: Die Herren von Buchhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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wir nacheifern. Ich gestehe, nicht immer diese Kraft zu spüren, die mich nach dem Tod meines Mannes zu meinem Entschluss befähigt hat. Die Träume rauben mir diese Kraft. Sag mir, was soll ich gegen sie tun?«
    »Nicht mehr träumen!«, murmelte Agnes.
    »Schweig!«, gebot Wiborada und wandte sich wieder an Wendelgard. »Gott um Vergessen bitten, das sollst du.«
    »Ja, ehrwürdige Wiborada!« Wendelgard erhob sich. Als sie dicht vor dem Fenster stand, wehte ihr der Geruch von Schweiß, Urin und Kot in die Nase, der aus der Zelle drang, aber sie ließ sich ihren Anflug von Ekel nicht anmerken. Keine von ihnen roch besser. »Dann bete zu unserem Herrn, damit der Teufel nicht länger seine haarige Faust um dein Herz krallt. Ich rate dir, eine Nacht lang nicht zu schlafen!«
    »Ja, ehrwürdige Wiborada.«
    »Ich werde darüber wachen. Schwester Agnes wird dir einen Kräutersud brauen, der dich wach hält. Agnes!«
    »Ja!«
    »Sag dem Mönch, der uns speist, was du brauchst.«
    »Ja.«
    »Jetzt schließt euch wieder ein. Agnes, mit dir habe ich noch zu sprechen.«
    Während Agnes ruhig an Wiboradas Fenster trat, bedachte Daglinda sie mit einem schrägen Blick. »Denk an das, was ich dir gesagt habe«, raunte sie Wendelgard zu, während sie zu ihren Zellen zurückkehrten. »Und lass dich nicht von Agnes verunsichern. Eigentlich ist sie ja nur Wiboradas Dienerin. Sie ist ja nicht einmal von adligem Geblüt.«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher. Ich habe gehört … aber das erzähle ich dir erst, wenn du mir versprichst, dich an deinen Onkel zu wenden.«
    »Du kennst meine Antwort. Bis heute Abend!«
    Daglinda verdrehte die Augen und schloss die Tür zu ihrer Zelle etwas lauter als notwendig. Wendelgard sah ihr nach, bevor auch sie sich wieder in ihre Klause zurückzog.
    »Herr, ich bin aufsässig und unwürdig, nichts anderes wollte Wiborada mir sagen«, flüsterte sie, während sie erneut vor ihrem schlichten Altar auf die Knie sank. »Habe ich mich versündigt, nur weil ich böse Träume habe? Habe ich mich versündigt, weil ich immer noch …« Sie schloss die Augen und presste die Hände vor das Gesicht. »… liebe?«
    Aber nur Schweigen antwortete ihr.
    Seufzend stellte sie ihren Napf vor das Fenster, damit der fromme Bruder aus dem Kloster ihre tägliche Speisung hineinlegen konnte, und verrichtete weiter ihre Gebete und Bußübungen.
     
    Wendelgard ließ den Schleier, den sie bestickte, in den Schoß sinken, als sie die Schritte hörte. Ihr Magen rumorte, aber sie wusste, dass es nicht der fromme Bruder sein konnte, der ihren Napf füllte. Vor der Non würde es nichts zu essen geben. Dennoch konnte sie sich nicht mehr auf ihre Arbeit konzentrieren. Durch den Vorhang, hinter dem das Sonnenlicht eines warmen Vormittags flimmerte, hörte sie das Zwitschern der Vögel. Doch es waren die lauten Stimmen von zwei Männern, die an ihrem inneren Frieden zerrten.
    »Aber ich muss sie sprechen. Meine Mutter stirbt vielleicht, und sie hat nach ihr verlangt! Glaubt Ihr ernsthaft, ich hätte sonst den ganzen Weg auf mich genommen?«
    »Sie ist eine Inkluse. Eine fromme Frau, die …«
    »Sie ist die Herrin meiner Mutter, und sie hat die Verantwortung!«
    Wendelgard merkte gar nicht, wie der Stoff zu Boden glitt. Sie beugte sich vor, um kein Wort der Unterhaltung zu verpassen. Die eine Stimme kannte sie, es war die des Klosterbruders, der ihnen die Speisen brachte. Die andere klang jung, wütend und voller Leben. Wendelgard wagte kaum, zu atmen.
    In diesem Augenblick hörte sie Wiboradas Stimme streng und befehlsgewohnt. »Was wollt Ihr, Bruder Matthias?«
    »Ein junger Mann, der sich Gerald nennt, wünscht die Inkluse Wendelgard zu sprechen.«
    »Das ist ausgeschlossen.«
    Wendelgard schüttelte müde den Kopf und bückte sich nach ihrer Näharbeit, als der junge Mann erneut zu sprechen begann. »Aber es ist der Wunsch meiner Mutter, vielleicht ihr letzter. Mein Vater ist schon tot und … und …« Seine Stimme drohte zu brechen. »Ich muss sie sprechen!«
    Jetzt konnte Wendelgard nicht mehr an sich halten. Vorsichtig stellte sie sich an das kleine Fenster und lüftete das Tuch. Einen Augenblick lang blendete sie die Frühlingssonne, ehe ihr Blick sich klärte. Vor Wiboradas Zelle standen Bruder Matthias und ein kräftiger junger Mann mit wirren blonden Locken und mächtigen Oberarmen. Er konnte nur wenige Jahre jünger sein als sie selbst, vielleicht Anfang zwanzig. Wendelgard bekreuzigte sich hastig, brachte es aber nicht über

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