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Die Herren von Buchhorn

Titel: Die Herren von Buchhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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…«
    Sie verstummte, als Gerald ihr die Hand auf den Arm legte. »Räuber!«, zischte er.
    Mechthild kreischte auf, im nächsten Augenblick fühlte sie, wie sie gepackt und vom Wagen gerissen wurde. Ein schmutziges Gesicht tauchte über ihr auf. »Was wollt ihr in St. Gallen?«
    »Nichts, wir …«
    »Wir wissen, dass ihr zur Gräfin wollt. Warum?«
    Er schlug sie ins Gesicht. Schluchzend versuchte Mechthild, ihre Arme hochzureißen, aber der Griff des Räubers war unbarmherzig. »Was wollt ihr da? Wo ist die Botschaft?«
    Auf der anderen Seite des Wagens hörte sie ihren Mann aufschreien. Es war eine Mischung aus Schmerz und Wut, die ihr das Herz zusammenkrampfte. Mit aller Kraft spuckte sie dem Mann ins Gesicht. »Nichts!«, schrie sie. »Nichts! Nichts! Und ich bin eine treue Dienerin der Buchhorns!« Geralds Stimme war verstummt. Sie hoffte, dass er sie noch gehört hatte. »Ich liebe dich«, flüsterte sie und schloss die Augen, während die Schläge des Mannes auf sie einprasselten.
    Irgendwo in der Ferne hörte sie noch Keuchen und das Scharren von Schuhen, dann wurde es schwarz um sie herum.
    »Mutter!«

3
     
    Über den Zellen der Klausnerinnen auf dem Hügel südlich des Gallus-Klosters ging langsam die Sonne auf. Wendelgard hob den Kopf, als das erste Rot durch das schmale Fenster sickerte. Mühsam kletterte sie von der harten Pritsche und kniete vor dem hölzernen Altar in ihrer Zelle nieder. Während in der Ferne die Glocke des Klosters die Mönche zum Gebet rief, senkte sie den Kopf und betete leise die Laudes. Die Kälte, die von dem Tuch vor ihrem Fenster kaum gemildert wurde, kroch durch ihr Hemd bis tief in die Knochen. Sie krampfte die mageren Finger fester ineinander und versuchte, das Zittern zu unterdrücken.
    »Herr, öffne meine Lippen …«
    Sie versuchte, sich auf die frommen Worte zu konzentrieren, doch ihre Gedanken schweiften ab. Sie war machtlos dagegen, ebenso wie gegen die Albträume, die sie Nacht für Nacht heimsuchten. Ohne die verschlungenen Finger zu lösen, wischte sie die Träne ab, die ungebeten ihre Wange herabrollte.
    Im Traum hatte sie ihn wieder sterben sehen, ihren Udalrich. Ihren Mann.
    Nicht zum ersten Mal wünschte Wendelgard mehr als alles andere ein Grab, an dem sie für den Toten hätte beten können, doch nicht einmal seine Leiche war aus den Ungarnfeldzügen zurückgebracht worden. Alles, was ihr geblieben war, waren die Erinnerungen und die vier Kinder, die sie ihm geboren hatte. Der Älteste würde in wenigen Jahren sein Erbe antreten. Ob er sich dann überhaupt noch an seine Mutter erinnern würde?
    Oder an seinen Vater?
    Jetzt brach das Schluchzen sich endgültig Bahn und schüttelte ihren ausgezehrten Körper. »O Herr! Lass ihn heldenhaft gestorben sein. Im Kampf. Sag mir, Herr, dass er einen schnellen Tod hatte, ohne zu leiden oder schlimmer, in der Gefangenschaft zu Tode gefoltert worden zu sein. Tu ich denn nicht Buße genug, Herr?«
    »Wendelgard!«
    Die junge Frau schreckte schuldbewusst hoch. »Ja, ehrwürdige Wiborada?«
    »Du hast heute Nacht wieder im Schlaf gestöhnt, und ein Mal hast du sogar laut geschrien. Ich will hoffen, dass nicht der Teufel in dir ist.«
    Wieder stand Wendelgard auf, diesmal, um an das kleine Fenster zu treten, das ihre Zelle mit der Wiboradas, der Begründerin der kleinen Inklusengemeinschaft, verband. Ihr Blick streifte sehnsüchtig das erkaltete Kohlenbecken, das bis vor ein paar Wochen noch seine kärgliche Wärme gespendet hatte. »Es geht mir gut.« Sie seufzte. »Gott prüft mit den Träumen vielleicht meine Standhaftigkeit.«
    »Das tut er ohne Zweifel! Jeden Tag, jede Stunde prüft er uns.«
    »Ich weiß.«
    »Und du liebst ihn auch?«
    »Natürlich.« Im ersten grauen Morgenlicht konnte Wendelgard die schemenhaften Züge Wiboradas sehen. Es war nicht mehr zu erkennen, dass auch sie einmal die Tochter eines adligen Vaters gewesen war. Askese und das strenge Leben der Inklusinnen hatten sie vor der Zeit altern lassen. Trotz der tiefen Verehrung, die Wendelgard für die ältere Frau empfand, schauderte sie bei dem Gedanken, wie sie selber nach drei Jahren dieses Lebens aussehen mochte. »Natürlich«, wiederholte sie. Ihre Stimme klang wie die eines verängstigten kleinen Mädchens.
    Wiborada erhob sich, und die Metallglieder ihres Büßergürtels klirrten. Ihre Stimme war leise und beinahe sanft, als sie sagte: »Und dennoch weinst du immer noch um einen sterblichen Mann.«
    Wendelgard spürte, wie ihre Wangen

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