Die Herren von Buchhorn
bei sich aufgenommen, das ist aber auch alles. Fromme Frau, vielleicht solltest du dich besser nicht in Belange der weltlichen Macht einmischen.«
»Gott geht alles etwas an, Junker Ludowig.« Wendelgard zögerte einen Herzschlag lang, dann hob sie die Hand und schob den Schleier ein Stück nach hinten. Eine Locke löste sich und fiel ihr blond und fedrig in die Stirn. »Dienst du dem Grafen, wie du es immer getan hast?«
»Selbstverständlich. Aber er ist tot. Er …« Plötzlich wurde Ludowig kreideweiß im Gesicht. Sein rechter Mundwinkel zuckte. »Wendelgard?«, fragte er und streckte die Hand nach ihr aus. Die junge Frau wich einen halben Schritt zurück und blickte ihn nur stumm an. Sekundenlang schwebten seine Finger zwischen ihnen in der leeren Luft, dann stieß er ein zittriges, verlegenes Lachen aus. »Bei Gott, ich habe dich … verzeih mir … Euch kaum wiedererkannt. Ich hab Euch anders …« Seine Augen wurden plötzlich groß. »Das ist also der Auftrag des Bischofs! Ich soll Euch nach Buchhorn begleiten!«
Sie nickte, und ein winziges Lächeln huschte um ihren Mund. »Ja, mich, Gerald, den Sohn von Udalrichs Schmied, und seine ermordeten Eltern. Außerdem …« Sie unterbrach sich mit einem kleinen Lachen.
»Was ist?«
»Du streichst dir noch genauso wie früher durch die Haare, wenn du verwirrt bist. Oh Ludowig, du hast dich kein bisschen verändert!«
»Aber du! In dieser Tracht! Und so dünn!« Er schüttelte die Haare, in denen der Regen perlte. Es sah aus wie Kristall vor altersdunkler Bronze. »Aber was hast du eben von zwei Toten gesagt?«
Ein Schatten flog über ihr Gesicht. »Ich weiß nicht, ob du dich noch an Gerald den Schmied erinnerst. Er und seine Frau sind auf dem Weg nach St. Gallen erschlagen worden, und jetzt sollen sie in Buchhorn bestattet werden.«
»Ein weiter Weg, den sie da zurückgelegt haben. Weißt du, was sie in St. Gallen wollten?«
Wendelgard schüttelte den Kopf. »Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit. Ach Ludowig, sie waren so treue Menschen!«
Ludowig setzte ein Lächeln auf, das bei aller Herzlichkeit etwas angespannt wirkte. »Dann will ich nicht klagen, dass wir unsere Christenpflicht erfüllen. Allerdings bin ich unter diesen Umständen für das Wetter dankbar.«
»Wieso?«
»Ich bin ein Kriegsmann, und meine Nase ist einiges gewohnt, trotzdem kann ich auf den Geruch von Leichen gerne verzichten.«
»Oh! Daran habe ich gar nicht gedacht.«
Er lächelte warm auf sie herab. »Lass nur, Wendelgard, ich werde mich um alles Nötige kümmern. Du weißt, ich wollte immer nur das Beste für dich. Und daran hat sich nichts geändert.«
Leichtes Rot färbte ihre Wangen. Einen Augenblick lang hielt sie seinem Blick stand, dann sah sie zur Seite. »Ich habe ganz vergessen, dir Agnes vorzustellen. Sie ist auch eine Inkluse, und sie wird mich nach Buchhorn begleiten. Agnes … Bruder Matthias, wo ist Agnes?«
Der Mönch, der immer noch das Pferd am Zügel hielt, warf den beiden einen milden Blick zu und sagte: »Sie ist zum Gästehaus gegangen, um den Abt von der Ankunft des Junkers zu unterrichten.«
»Und ich hätte gedacht, dass sie eher tot umfällt, als mich mit einem Mann allein zu lassen«, murmelte Wendelgard. »Aber ich sollte Salomo auch nicht länger warten lassen.«
Ludowig wandte sich an Bruder Matthias. »Bringt Ihr die Schwester zum Gästehaus. Ich finde schon jemanden, der sich um den Gaul kümmert. Ich komme dann mit meinen Gefährten nach.« Er nickte Wendelgard und dem Mönch zu, streifte die Kapuze wieder über den Kopf und entfernte sich in Richtung der Stallungen.
Einen Herzschlag lang sah Wendelgard ihm nach, ehe sie Bruder Matthias durch den andauernden Nieselregen folgte.
Ein beinahe verschmitztes Lächeln zuckte in Salomos Augen auf, als Wendelgard und Bruder Matthias mit gesenkten Köpfen zum Gästehaus stapften. Der Bischof winkte den Mönch zu sich und wechselte ein paar leise Worte mit ihm. Bruder Matthias nickte einige Male, verneigte sich dann ehrerbietig und begab sich erneut in die unwirtliche Witterung. Schon nach wenigen Schritten war er im einheitlichen Grau verschwunden.
»Und du?«
Wendelgard zuckte zusammen. »Wie, ich?«, stammelte sie, während sie nach der Haarsträhne tastete, die sich aus ihrem Schleier gelöst hatte.
»Wie ich gehört habe, hast du Ludowig bereits gesehen.« Salomo schob ihre eisigen Finger beiseite und richtete beiläufig ihren Schleier. »Du hast ihn also auflaufen
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