Die Herren von Buchhorn
leise zu Wendelgard und Agnes, die sich zögernd, mit gesenkten Häuptern in den Schatten schmiegten. »Es sind fromme Menschen, die diesen Ort aufsuchen, die meisten auf dem Weg nach Rom zum Heiligen Vater, und vor allem sind es Menschen, die sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Und nun lasst uns essen. Es ist für alle reichlich da.«
Die mitgebrachten Speisen machten die Runde. Als Letzter erhielt Gerald den Korb, in dem nur noch ein Kanten Brot übrig war. Sein Gesicht nahm einen harten Ausdruck an. Er schob den Korb zurück und stand jäh auf.
Seine Stimme klang schroff und viel zu laut. »Ich warte draußen.«
»Was fällt dir ein, Bursche!« Auch Ludowigs Gesicht hatte sich verfinstert, doch Gerald hörte ihn schon nicht mehr. »Was denkt der anmaßende Kerl sich?«
»Ludowig, bitte, er hat gerade seine Eltern verloren«, erinnerte Wendelgard ihn sanft.
»Das gibt ihm noch kein Recht zu diesem Benehmen. Er sollte dankbar sein, überhaupt in der Gegenwart von Edelleuten speisen zu dürfen.«
Rauer Stoff schabte auf Holz. Wendelgard sah sich rasch nach Agnes um, doch wenn diese wirklich eine unbeherrschte Bewegung gemacht hatte, musste es sehr schnell gegangen sein. Mit mahlendem Kiefer kaute sie auf einem Stück trockenem Brot herum. Ihr Blick war auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne gerichtet.
Schweigend setzten alle ihr Mahl fort. Nur die Stimmen der Pilger in der anderen Ecke der Hütte füllten die Stille. Plötzlich wurde die Türe erneut geöffnet, und Geralds blonder Haarschopf leuchtete auf. Ohne Ludowig direkt anzuschauen, sagte er: »Euer Jagdaufseher. Herr.« Er verschwand erneut.
Der Junker sprang auf. »Wurde auch Zeit! Ihr erlaubt, Fürstbischof?«
»Wir werden alle gehen«, entschied Salomo. Er nickte den Pilgern zu, die den Gruß höflich erwiderten, und die Gesellschaft trat erneut ins Freie.
Draußen erwartete sie ein großer Mann mit einer Narbe über der Stirn und ungebärdigen rotbraunen Haaren. Er lehnte an einem großen, offenen Wagen, der zwar eher wie ein Karren, doch sicher und stabil aussah. Als er seinen Herrn erkannte, straffte er die Schultern und verbeugte sich. »Entschuldigt meine Verspätung, Herr.«
Ludowig machte eine wegwerfende Handbewegung. »Jetzt bist du ja da, Wulfhard. Was hat dich aufgehalten?«
»Eine gute Nachricht!« Der Jagdaufseher fuhr sich durch die struppigen Haare und zeigte ein zahnlückiges Grinsen. »Wir haben den Mörder gefangen.«
Ludowig warf Wendelgard einen kurzen Blick zu. »Das sind in der Tat gute Nachrichten. Berichte.«
»Sehr gern.«
»Und zwar von vorn«, befahl Salomo plötzlich mit klarer, scharfer Stimme. »Um was für einen Mord geht es?«
Die Selbstsicherheit des Jagdaufsehers verblasste ein wenig, er warf dem Bischof einen unsicheren Blick zu und verbeugte sich erneut. »Vor ein paar Tagen kam Nachricht vom Gallus-Kloster, dort war ein junger Mann mit einer Leiche und einer verletzten Frau angekommen.«
Geralds Kopf ruckte in die Höhe, seine Hände ballten sich zu Fäusten. Aber er schwieg.
»Er hat mächtig Ärger gemacht. Hat getobt, sein Vater sei erschlagen worden und er wolle Gerechtigkeit. Zuerst waren wir ja von Räubern ausgegangen, aber dann haben wir gehört, dass der Tote am Abend vorher Streit im Gasthaus ›Zum Grünen Felchen‹ hatte. Und zwar mit einem betrunkenen Bauern. Den haben wir befragt.«
»Befragt?«, wiederholte der Bischof trocken. »Ich schließe daraus, dass ihr ihn gefoltert habt.«
»Natürlich. Und er hat gestanden. Er hat den Schmied und die Frau …«
»Meine Mutter hatte einen Namen.« Geralds Stimme war ein gepresstes Flüstern. »Sie hieß Mechthild!«
Wulfhard musterte den jungen Mann und wandte sich dann wieder Salomo und Ludowig zu. »Er hat ihnen aufgelauert und sie erschlagen. Ob er was mit dem anderen Toten zu tun hatte, wissen wir nicht. Leider ist der Kerl krepiert, bevor wir die ganze Wahrheit aus ihm rausquetschen konnten.«
»Er ist tot?«, fragte Salomo.
Diesmal konnte der Mann sein befriedigtes Grinsen nicht zurückhalten. »Mausetot, Herr. Wir hätten ihn ja zu gern baumeln sehen, aber er wollte lieber von der Streckbank aus vor seinen Schöpfer treten. Nichts für ungut, fromme Frauen.«
Wendelgard machte eine abwehrende Geste mit ihrer dünnen Hand.
»Jedenfalls ist der Fall damit abgeschlossen.«
»Das ist er nicht!«
»Bursche, das ist jetzt das zweite Mal …«
Blindwütig fuhr Gerald zu Ludowig herum. Sein Gesicht war kreideweiß. »Der
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