Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Herren von Buchhorn

Titel: Die Herren von Buchhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
Vom Netzwerk:
schmerzende Kreuz presste. Es schien fast, als wolle sie den Namen auf ihrer Zunge schmecken, während sie ihr Gesicht in den warmen Wind drehte, der von den Bergen her durch den kleinen Ort wehte. Ihr Blick wanderte von dem schmalen Hafensteg vorbei an der Ansammlung von Häusern, die sich um die Holzkirche drängten, in deren Schatten sie angehalten hatten. »Es erinnert mich an Buchhorn«, sagte sie mit einem Lächeln. »Wie heißt diese Kirche?«
    »Das ist St. Kolomban.« Agnes war unbemerkt näher getreten und musterte ihre jüngere Gefährtin mit einem Ausdruck von Missfallen. »Du solltest sie eigentlich kennen. Kolomban war einer der wichtigsten Lehrer des heiligen Gallus. Ich hoffe, den kennst du wenigstens«, setzte sie mit einem Anflug von beißendem Spott hinzu.
    Wendelgard wurde rot. »Natürlich kenne ich ihn. Ich bin nun mal keine Nonne wie du, Agnes.«
    »Sondern was? Eine Gräfin?«
    »Ist das ein Verbrechen?«
    »Friede, Schwestern.« Der Bischof lächelte, aber seine klugen grauen Augen waren ernst. »Ich bewundere deine Kenntnisse, Schwester Agnes, aber vielleicht stünde dir ein wenig Milde gut zu Gesicht.«
    »Ja, ehrwürdiger Abt.«
    »Und du, Wendelgard …«
    »Ich weiß, ich bin keine Gräfin mehr. Es tut mir leid, Agnes.«
    »Dann ist ja alles in bester Ordnung«, rief der Bischof und klatschte in die Hände. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den scherzenden, lärmenden Tross. Ludowig stand inmitten seiner Leute und strahlte ruhige Gelassenheit aus, während Gerald in einiger Entfernung Wildfangs schweißglänzendes Fell abrieb. Von Zeit zu Zeit hob er den Kopf und warf den jungen Adligen mürrische Blicke zu.
    »Ludowig«, rief Salomo.
    Sofort löste der Junker sich aus der Schar seiner Freunde und kam mit großen Schritten näher. »Ja, Fürstbischof?«
    »Hast du dich um ein geeignetes Fuhrwerk für die frommen Frauen gekümmert?«
    »Mein Jagdaufseher müsste jeden Augenblick hier sein. Die Damen werden nicht zu klagen haben.« Seine goldbraunen Augen blitzten warm und ein wenig übermütig.
    Wieder fühlte Wendelgard, wie sich das Lächeln in ihre Mundwinkel stahl. Sie fühlte sich jung und frei. Und sauber. Es war ein berauschendes Gefühl.
    »Gut, warten wir auf den Mann. Außerdem verspüre ich das überaus irdische Gefühl des Hungers. Lasst uns in die Jakobskapelle gehen. Dort gibt es immer Raum für erschöpfte Reisende, die in frommer Absicht unterwegs sind.« Salomo nickte zu einer kleinen hölzernen Kapelle hinüber, die in ein paar hundert Metern Entfernung zu sehen war. »Ludowig, bring uns den Reiseproviant. Du, junger Mann, wie ist dein Name?«
    »Gerald.«
    »Komm auch mit. Die Toten werden nicht wollen, dass du hungerst.«
    Mit ausgreifenden Schritten ging der Bischof voran, den abfallenden Weg zum See hinunter, während sich die anderen ihm grüppchenweise anschlossen. Wendelgard musterte den hageren Rücken des Bischofs und ertappte sich dabei, wie sie ängstlich nach weiteren Anzeichen von Schwäche suchte, aber bis auf den winzigen Anflug eines Hinkens waren es die Bewegungen eines Mannes, der sich seine Vitalität bis ins fortgeschrittene Alter bewahrt hatte.
    Die Jakobskapelle war ein kleines, fast unscheinbares Gotteshaus, bescheiden aus Holzbalken zusammengefügt direkt am Seeufer. An eine Seitenwand schmiegte sich ein noch winzigeres Häuschen, in dem die Pilger ihren Körper stärken konnten, nachdem sie ihre geistlichen Bedürfnisse unter dem Kreuz gestillt hatten. Ehe sie durch die Tür traten, wandte Wendelgard sich noch einmal um, um das friedliche Bild, das sich ihr bot, in sich aufzunehmen. Im Norden schimmerte der See in sanftem Blau, das silbrig gischtende Häubchen aufgesetzt hatte. Der Wind hatte etwas aufgefrischt und spielte mit ihrem Schleier.
    Eine Hand berührte sie sacht an der Schulter, und Ludowigs warme Stimme sagte: »Komm, Wendelgard.«
    Eine Gruppe Menschen mit müden, doch friedlichen Gesichtern blickte auf, als die Neuankömmlinge das Zwielicht des kleinen Raums betraten, durch dessen winzige Fensterschlitze kaum mehr als ein paar Sonnenstrahlen drangen. Der Staub der Straße flirrte in den dünnen Lichtstreifen. Erst als sie den Rang des Bischofs erkannten, ging eine ehrerbietige Bewegung durch die Gruppe der Pilger.
    »Gott zum Gruß«, sagte Salomo mit einem milden Lächeln, während er an einem der roh gezimmerten Holztische Platz nahm.
    »Ich komme oft her, um hier zu beten, wenn ich auf St. Galler Territorium bin«, sagte er

Weitere Kostenlose Bücher