Die Herren von Buchhorn
… dann …« Er schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu schluchzen.
»Wo ist die Spange jetzt?«, rief Eckhard. »Rede Mann! Haben die Mörder sie bekommen?«
»Nein.« Hilbert ließ die Hände sinken und deutete mit zitterndem Finger auf eine morsche Truhe. »Sie ist da drin. Ich hab das doch nicht gewollt, das mit Berta. Ich wollte doch nur genug Geld auftreiben, damit wir heiraten können.« Wieder übermannte ihn das Schluchzen.
Eckhard achtete nicht mehr auf ihn. Er öffnete die Truhe und zerrte ein Bündel hervor. Der Stoff wies steife braunrote Flecken auf. Mit fliegenden Fingern löste Eckhard den Knoten und schlug den Stoff auseinander. Gold funkelte ihm entgegen.
»Ich hab doch nicht ahnen können, dass die das Ding auf einmal zurückwollen«, jammerte Hilbert in seinem Rücken.
Ohne sich umzudrehen, sagte der Mönch: »Aber für deine Gier und deine Dummheit musste das arme Mädchen sterben. Mit dieser Last wirst du leben müssen.«
Hilbert schluchzte lauter. »Leuthard wird mich umbringen.«
»Ich glaube nicht.« Eckhards Stimme war trocken. »Dazu ist er zu klug. Und jetzt reiß dich zusammen und benimm dich nicht wie ein Waschweib. Raus mit dir!« Er packte Hilbert an der Schulter und schob ihn unsanft ins Freie.
Draußen warteten Leuthard und Gerald. Der Wirt presste die Lippen zusammen und wandte sich ab, während Gerald ihnen entgegenkam. »Was ist da drin?«, fragte er und zeigte auf das Bündel.
»Ein Kamm, ein Kopftuch …«
»Das hat meiner Mutter gehört!« Gerald riss Eckhard das Bündel aus den Händen. »Den Kamm habe ich ihr geschnitzt, als ich elf war. Oh mein Gott!«
Eckhard musterte den jungen Mann mitleidig. »Wir haben jetzt die Spange und den Beweis, dass die Mörder deiner Eltern noch auf freiem Fuß sind. Sie haben auch Berta auf dem Gewissen.« Leuthard machte eine heftige Geste. »Und es sind wahrscheinlich auch die Gleichen, die heute hinter uns her waren. Nur ihre Hintermänner kennen wir noch nicht«, setzte er halb für sich hinzu. Dann richtete er den Blick auf Leuthard. »Hier trennen sich vorerst unsere Wege. Gott sei mit dir. Und ich schwöre dir, deiner Tochter wird Gerechtigkeit widerfahren. Komm, Gerald.«
Die Gassen der Unterstadt waren noch immer voller Menschen.
Gerald ging wie im Traum. Er presste das Bündel an seine Brust.
»Geht es dir gut?«, fragte Eckhard schließlich.
Gerald stöhnte leise. »Ihr Bündel. Und die Flecken sind ihr Blut, nicht wahr?«
»Ich fürchte ja.«
»Was wird aus Hilbert und Leuthard?«
»Wer weiß? Der ›Felchen‹-Wirt ist kein Narr. Ich glaub nicht, dass er sich zu einer Dummheit hinreißen lässt.«
»Gut. Es ist schon zu viel Blut geflossen. Was machen wir jetzt mit der Spange?«
»Sie dem Bischof bringen. Oha!« Eckhard blickte nach Westen, wo in der Ferne dunkle Wolken aufzogen. »Wir sollten uns sputen.«
Es kostete Salomo übermenschliche Anstrengungen, das Lächeln zu unterdrücken, das sich auf sein Gesicht stehlen wollte, als er Wendelgard sah. Sie saß mit sittsam im Schoß gefalteten Händen am Fenster ihrer Kemenate und sah mit großen Augen zu ihm auf. Die Worte sprudelten aus ihr heraus, ehe er etwas sagen konnte. »Salomo, es tut mir leid, dass ich die Nonnentracht abgelegt habe, aber sie war schmutzig, und dieses Kleid sieht doch fast genauso aus. Das hat Ludowig auch gesagt.«
»Ludowig?«, unterbrach der Bischof sie mit einem strengen Blick. »Er scharwenzelt also wieder um dich herum?«
Ihr Blick schweifte aus dem Fenster ihrer Kemenate, wo sich in der Ferne die Alpen scharf gegen den Himmel abzeichneten. »Ludowig scharwenzelt nicht. Er ist einfach freundlich und zuvorkommend.«
Salomo unterdrückte einen Seufzer wie vorhin sein Lächeln. »Sieh mich an, Wendelgard, du bist achtundzwanzig und kein kleines Mädchen mehr. Macht er Eindruck auf dich?«
»Salomo, bitte.«
»Frei heraus! Hältst du seine Gefühle für aufrichtig?«
»Ja.«
»Und wie steht es um deine Gefühle?«
Sie starrte auf ihre Hände. Sie waren immer noch dünn und zerbrechlich. »Ich bin Inkluse.«
»Aber auch eine Frau.«
»Die einmal, vor langer Zeit, einen Mann geliebt hat. Nur einen.« Plötzlich hob sie das Gesicht und blickte den Bischof mit einem Anflug von Trotz an. »Du hast auch geliebt.«
Betroffen fuhr der Bischof zurück. »Wendelgard, du gehst zu weit.«
»Aber es ist doch wahr!«
Der Bischof schwieg eine Weile. Endlich ergriff er ihre nervös zuckende Hand und nahm sie zwischen seine
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