Die Herren von Buchhorn
lächelte. »Niemand sollte Buße tun dafür, dass er seinem Herrn nahe sein will. Gehst du auch in die Kirche in Buchhorn?«
»Selten, ehrwürdiger Abt. Wenn ich Mauern und Steine brauche, reicht mir die Burgkapelle.« Ihr Blick streifte die Bäume um sie her. Sie lächelte gedankenverloren.
»Du warst Nonne im Frauenstift zu Lindau, bevor du dich Wiborada angeschlossen hast?«, ließ sich plötzlich Eckhard vernehmen.
Agnes schreckte aus ihren Gedanken. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Ja. Ich wurde als Säugling auf der Schwelle des Stiftes gefunden.«
»Deine Eltern kennst du also nicht?«
»Mein einziger Vater ist Gott der Herr.«
Ludowig räusperte sich.
»Ja, Junker?«
»Was passiert ist, war meine Schuld. Ich habe einen Mann zu ihrem Schutz abgestellt, aber er hat seine Pflicht vernachlässigt. Wir haben sie im Wald umherirrend gefunden.«
Salomo sah ihn scharf an. »Habe ich das gefragt oder deine Pflichterfüllung in Zweifel gezogen, Junker?«
»Nein Fürstbischof. Ich wollte nur … verzeiht, ich wollte mich nicht einmischen.«
Die Burg war nur noch einen Steinwurf entfernt. In angespanntem Schweigen ritten sie durch das Tor und in den Innenhof.
»Für Schwester Agnes wird es jetzt Zeit, das Nachtgebet zu halten«, sagte Ludowig und schwang sich vom Pferd.
»Wie wahr. Ich habe mich über unser Gespräch gefreut.« Salomo entließ Agnes mit einem Wink.
Die Inkluse verneigte sich und ging hoch aufgerichtet zur Burg. Ihre harten Züge entspannten sich erst, als sie sich auf den dunklen Fluren allein wusste. Erst als sie an Wendelgards Kemenate vorbeikam und leises Murmeln hörte, blieb sie stehen. Mit einem Ruck stieß sie die Tür auf.
Wendelgard fuhr erschrocken hoch. »Agnes, bei Gott, du hast mich erschreckt!«
»Du hast dich wieder nicht eingeschlossen!«
Wendelgard presste die Lippen zusammen und drehte sich brüsk um.
»Nun, es steht mir nicht zu, über dich zu richten.« Agnes zwang sich zu einem blassen Lächeln. »Ich habe nur gehört, dass du noch nicht schläfst, und wollte dich etwas fragen.«
»Mich?«
»Kannst du Latein?«
Wendelgard stieß ein überraschtes Lachen aus. »Wie kommst du denn darauf?«
»Der ehrwürdige Abt brachte mich darauf. Also?«
»Ich verstehe ein wenig. Schreiben kann ich es kaum.«
»Das wollte ich nur wissen. Du hast eben gebetet?«
»Ja.«
»Dann fahr fort. Es lenkt von bösen Gedanken ab. Hast du der Köchin schon Anweisungen gegeben?«
Wendelgard machte eine heftige Geste. »Warum denn? Hirsebrei, das weiß sie doch!«
»Aber sie hält sich nicht daran«, entgegnete Agnes scharf. »Ich werde noch nach dem Rechten sehen, bevor ich mich zurückziehe!«
Salomo unterdrückte ein Gähnen und trat ans Fenster, hinter dem die schmale Mondsichel stand.
»Ihr seht abgespannt aus.«
»Ja, Bruder Eckhard, ich fühle mich auf einmal sehr alt.« Salomo seufzte. »Ich stelle mir gerade vor, dass Udalrich irgendwo dort draußen herumirrt und auf Hilfe hofft. Alt und nutzlos, so fühle ich mich.«
»Ihr solltet auf Gott vertrauen.«
Ein spöttisches Lächeln zuckte um den feinen Mund des Bischofs. »Eine angemessene Belehrung. Ich muss mich wohl bedanken.«
»Ich wollte nicht anmaßend sein, verzeiht. Dann müssen wir eben helfen!«
»Und wie?« Salomo hieb mit der Faust auf das Fenstersims. »Wir wissen ja nicht einmal, wer noch von der Spange weiß.«
»Immerhin kennen wir die Gesichter der Mörder.«
Salomo setzte sich an den Tisch und griff nach dem Krug. Als der schwere Rotwein seinen Becher füllte, schnalzte er mit der Zunge. »Auf diese Gudrun ist Verlass. Trink mit mir.«
»Wie Ihr meint.« Eckhard nippte und zog die Brauen hoch. »Ein vorzüglicher Tropfen. Von hier, nehme ich an.« Er reichte Salomo den Becher zurück. »Es wird Zeit für meine Gebete. Ich soll also morgen wirklich nach Lindau reiten? Ihr seid sicher, dass Ihr mich nicht braucht?«
»Nein, geh nur. Und schick mir Ludowig her. Ich will mit ihm reden.«
»Gleich?«
»Gleich!«
Als Eckhard gegangen war, stützte Salomo den Kopf in die Hände. Wenig später riss ihn ein Klopfen aus seinen Gedanken. »So bald schon?«, murmelte er. »Kommt herein, Junker!«
Die Tür ging langsam auf. »Ich bin es nur, ehrwürdiger Abt.«
Der verwunderte Blick des Bischofs ruhte auf der jungen Frau, die blass wie ein Geist in der Tür stand. Ihre dunklen Augen waren niedergeschlagen. »Agnes? Wie kann ich dir helfen?«
»Verzeiht die Störung, Abt Salomo. Ich möchte
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