Die Herren von Buchhorn
Euch demütig um geistige Führung bitten.«
»Nur zu, Inkluse, nur zu.«
Sie knetete die schmalen Finger. »Ich weiß, dass ich gefehlt habe, weil ich heute Nacht allein unterwegs war, anstatt mich meiner Pflicht gehorchend einzuschließen. Die ehrwürdige Wiborada würde harte Buße fordern. Und ich hätte sie verdient.«
»Dann bete um Vergebung, wenn du glaubst, gegen deine Pflichten verstoßen zu haben.«
»Das habe ich gewiss.« Sie schaute sich in dem Raum um. »Es ist schön hier.«
»Das war früher das Zimmer des Grafen, als sein Vater noch lebte. Nach dessen Tod übernahm er das Zimmer seiner Eltern, das heute als Wendelgards Kemenate dient.«
»Sie schläft also im Ehebett?«
»Höre ich da Missfallen?«
Agnes schwieg.
»Oder … Eifersucht?« Er lächelte gütig, als die Nonne auffuhr. »Du bist eine junge Frau, Agnes. Denkst du nicht manchmal darüber nach, was das Leben für dich bereitgehalten hätte, wenn deine Eltern dich nicht den frommen Schwestern übergeben hätten?«
»Ich bin glücklich mit meinem Leben«, sagte sie heiser. Einen Augenblick lang wirkten ihre Augen groß und schutzlos.
»Ich wollte nicht andeuten, dass du es nicht bist«, sagte der Bischof milde. Er stand auf und trat ans Fenster. »Ich wollte nur sagen, dass es menschlich ist, wenn wir Wünsche und Sehnsüchte haben. Das Entscheidende ist allein, wie wir damit umgehen.«
Er drehte sich wieder um und schrak zurück, als Agnes direkt hinter ihm stand. Sie blickte ihn an, ohne zu blinzeln. Einen Augenblick lang drohte er sich in ihren dunklen Augen zu verlieren.
»Wollt Ihr mir Euren Segen erteilen, ehrwürdiger Abt?«
»Natürlich, mein Kind. Knie nieder.«
Agnes raffte ihren Habit zusammen und beugte sich nieder, doch sie geriet aus dem Gleichgewicht und prallte gegen den Stuhl des Bischofs. Sie wollte ihn festhalten und stieß dabei gegen den Becher. Der Wein ergoss sich über den Tisch und tropfte auf den Boden.
Agnes sprang auf und starrte auf die rote Lache. »Verzeiht. Darf ich Euch …« Sie griff nach dem Krug und füllte den Becher erneut. »Ich werde sofort dafür sorgen, dass hier aufgewischt wird. Hier, der Wein.« Sie reichte dem Bischof den Becher, der ihn mit einem leisen Seufzer entgegennahm.
»Das ist doch nicht so schlimm.«
»Trotzdem«, sagte sie mit einem Anflug von Heftigkeit. »Mir ist, als ob Gott unzufrieden mit mir ist. Als ob auch das eine Züchtigung ist, weil ich mit Euch spreche, statt zu beten. Mit Eurer Erlaubnis werde ich mich zurückziehen.«
»Geh nur. Und denk daran, Frieden finden wir nur in uns selbst.«
Er sah ihr nach, als sie das Gemach verließ, und nahm einen kleinen Schluck. »Armes, verwirrtes Mädchen!« Er gähnte, während er auf das Geräusch der schließenden Tür wartete. Stattdessen hörte er Eckhards Stimme.
»Abt Salomo?« Eckhard betrachtete Agnes mit hochgezogenen Brauen, ehe er sich dem Bischof zuwandte. »Junker Ludowig ist hier.«
Agnes’ leise Schritte verhallten in dem dunklen Flur.
Salomo kniff sich heftig in die Nasenwurzel. »Ja, ja, soll hereinkommen.«
»Ist Euch nicht wohl?« Ludowig warf dem Bischof einen besorgten Blick zu, während er sich vor den Tisch stellte. Um ein Haar wäre er in die Weinlache getreten. Er wich zurück.
»Mir geht es gut, ich bin nur etwas abgespannt. Eckhard, berichte dem Junker, was sich hier in Buchhorn zugetragen hat.«
Eckhards Blick durchforschte das Gesicht des Bischofs nach versteckten Hinweisen, konnte aber außer Müdigkeit nichts entdecken. Zögernd wandte er sich dem Junker zu. »Es gibt Anzeichen, dass Gerald mit seiner Annahme nicht unrecht hatte. Jedenfalls ist er hier in Buchhorn angegriffen worden.« Er wies flüchtig auf sein eigenes Gesicht, auf dem sich eine bläuliche Verfärbung abzeichnete. »Ich war dabei. Interessant war, dass wir diese Männer bereits in Bregenz gesehen haben. Auch da waren sie hinter uns her. Euer Aufseher hat Euch davon erzählt?«
»Wulfhard?« Ludowig runzelte die Stirn. »Nein.«
»Nicht? Nun, vielleicht hat er noch keine Zeit gefunden. Er beschäftigt sich ja sicher mit dem Mord im Badehaus.«
»Womit?«
»Eine junge Frau ist ermordet worden, in Bregenz.«
Ein dunkleres Rot färbte Ludowigs Wangen, während er zwischen dem Bischof und dem Sekretär hin und her sah. »Wollt Ihr Euch über mich lustig machen? Eine Hure ist ermordet worden, ja und? Ich werde Wulfhard Anweisung geben, sich um die Schläger zu kümmern, obwohl ich immer noch bezweifle, dass sie
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