Die Herren von Buchhorn
Mutter sagte immer, ich sähe meinem Vater ähnlich.«
»Wer ist deine Mutter, he?«
»Mechthild. Deine Schwester.«
»Mechthild ist …«
»Tot!«
Sigurd griff hinter sich und packte die Keule, die an der Wand lehnte. »Der Wald hat nichts von Toten gesagt.«
»Sie ist nicht hier gestorben, sondern in Bregenz. Es tut mir so leid, Ohm, aber sie ist wirklich tot.«
Sigurd ließ die Keule sinken, seine hellen Augen sahen aus, als sei der Alte blind. »Die Blätter sagen mir immer alles!«
»Ich bin dein Neffe. Deine Schwester war meine Mutter, Gerald mein Vater. Ich vermisse sie. Ich …«, er schluckte, »will wissen, wer für den Mord verantwortlich ist. Ich brauche deine Hilfe.«
»Beide tot?«, stieß Sigurd hervor und ließ die Keule fallen. »Das würde der Herr nie zulassen!«
»Doch. Wir haben jetzt nur noch uns.«
Ein Flackern in Sigurds Augen verriet Gerald, dass er allmählich zu seinem Onkel durchdrang.
»Ohm …«
»Pst!« Sigurd hob den Zeigefinger an die Lippen und legte den Kopf schief. Plötzlich schluchzte er trocken auf. »Ja, Herr, ich habe verstanden. Weil du mich nicht traurig hast machen wollen, Herr. Ich verstehe!« Er wischte sich die Tränen von den Wangen. Rußige Spuren zogen sich über sein Gesicht. »Also bist du wirklich der Junge. Nun gut.« Er zog das Messer und packte Gerald grob an der Schulter. Im nächsten Augenblick waren seine Hände frei. Gerald sprang augenblicklich auf die Füße. »Ohm, ich muss dir eine Frage stellen. Ist der Graf hier? Graf Udalrich von Buchhorn?«
Die Augen des Alten blitzten auf. Er wich an die Wand zurück und starrte Gerald an, seine Kiefer mahlten. »Warum willst du das wissen?«
»Hier im Wald sind böse Menschen. Sie wollen den Grafen töten.«
»Alle Menschen sind böse!«
»Nein, nicht alle. Einige wollen helfen, so wie ich. Ohm, ist er hier? Ich habe Spuren gesehen, die darauf hindeuten, dass sie den Wald durchkämmen.«
»Draußen ist niemand. Also, wer sind die?«
Gerald fuhr herum, als er die tiefe Stimme hörte. Ein Schatten zeichnete sich gegen das Tageslicht ab, das durch die schmale Eingangstür fiel. Der Mann hatte breite Schultern, war aber eine gute Handbreit kleiner als der hünenhafte junge Schmied. Sein Haar war lang und beinahe vollständig ergraut. Dennoch erkannte Gerald, dass dieser Mann ihm in jeder Hinsicht überlegen war.
»Graf Udalrich?«, stammelte er und ließ sich auf ein Knie nieder. »Ihr lebt? Gott sei gepriesen. Ich bin so froh, Euch zu sehen!« Im nächsten Augenblick fühlte er sich zurückgerissen. Ein überwältigender Geruch nach Schweiß und Kohle nahm ihm den Atem.
»Herr, verzeiht!«, rief der Alte, »der Pferdedieb hat sich hier eingeschlichen. Ich wollt’ ihn totschlagen, aber ich konnt’s nicht. Der Wald hat ihn gebracht und beschirmt.«
Udalrich legte seine Hand auf Sigurds Arm. »Schon gut, Sigurd. Du hast deine Sache gut gemacht! Und jetzt zu dir, junger Mann.« Er machte einen Schritt auf Gerald zu.
Der wusste, dass er den Kopf hätte beugen müssen, doch seine Neugier war stärker. Er hob den Blick und betrachtete den Mann, der vor ihm stand und auf ihn herabsah. Der Graf hatte seine besten Jahre lange hinter sich. Sein hageres Gesicht war gezeichnet von den Entbehrungen der Gefangenschaft und Flucht, doch unter der Erschöpfung erkannte Gerald Härte und Unbeugsamkeit. Als ihre Blicke sich begegneten, schlug Gerald die Augen nieder.
»Wer schickt dich?«
Gerald öffnete den Mund, aber er stellte fest, dass er keinen Ton hervorbrachte.
»Sprich!«
»Fürstbischof Salomo, Herr«, antwortete Gerald heiser.
Udalrichs Miene hellte sich auf. »Salomo lebt noch? Dann hat der Herr mich doch nicht ganz verlassen.« Er schlug das Kreuz, dann richtete er den Blick wieder auf Gerald. »Du bist von hier?«
»Ja, Herr.«
»Dann sag mir, ob es wahr ist, was man sich über meine Frau erzählt!« Seine Stimme war leiser geworden, die Augen forschend.
Gerald biss sich auf die Lippen. »Sie hat sich für ein Leben als Inkluse entschieden, als Ihr für tot erklärt worden seid.«
»Das habe ich nicht gemeint. Was ist mit ihr und diesem Bregenzer?«
Gerald fröstelte, als er Udalrichs Tonfall vernahm. »Junker Ludowig? Sie hat ihn abgewiesen, Herr.«
»Ich weiß.« Der Graf schob Gerald beiseite und setzte sich auf den Rand der Pritsche. »Also, wer sind die? Ludowigs Leute?«
»Eher Handlanger der Welfen, Herr.«
»Damit musste ich rechnen. Dann haben die Adalbert gefangen.«
»Er ist
Weitere Kostenlose Bücher