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Die Herren von Buchhorn

Titel: Die Herren von Buchhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin / Ulrich Buchhorn
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einer schnelleren Gangart an. Der Wald war jetzt so dicht, dass die Sonnenstrahlen das Laubdach nicht mehr durchdringen konnten.
    Gerald lauschte mit angehaltenem Atem in den Wald hinein. Der Wind strich durch die Zweige, und Wildfangs Hufschlag klang dumpf auf dem grasbewachsenen Boden. Eine Krähe krächzte wütend im Geäst, und von irgendwoher schienen Augen zu glühen.
    Gerald bekreuzigte sich. In diesem Augenblick blieb Wildfang stehen.
    »Hüa!«
    Wildfang bewegte sich nicht.
    Leise fluchend kletterte Gerald vom Wagen, um das Tier am Zaum weiterzuziehen. Sein Fuß versank in etwas Weichem. Er sah nach unten. »Oh nein! Scheiße!«
    Er streifte die Reste des Pferdeapfels im Gras ab und starrte dabei auf die Hufabdrücke, die sich deutlich im lockeren Waldboden abzeichneten. Er bückte sich und stellte fest, dass es sich um mehrere Pferde handeln musste. Er folgte mit seinen Augen der Spur, die sich im Unterholz verlor. Seine Hand fuhr an das Messer. Er ließ den Griff nicht einmal los, als er wieder auf den Wagen kletterte. »Hüa!«, rief er und ließ die Zügel schnalzen.
    Dieses Mal gehorchte Wildfang sofort und bog nach links. Der Weg wurde so schmal, dass Gerald immer wieder seinen Kopf einziehen musste, um nicht einen in den Weg hängenden Ast zu streifen. Plötzlich schlug ihm der Geruch von verbranntem Holz entgegen.
    »Brr!«
    Wildfang reagierte nicht.
    Gerald riss an den Zügeln. »Halt, hab ich gesagt!«
    Wildfang schnaubte vorwurfsvoll, blieb aber stehen.
    »Und wehe, du wieherst!«
    Geralds Magen war nur noch ein harter Klumpen, als er sich die letzten Meter heranpirschte. Der Meiler schien verlassen. Weder bei dem rußgeschwärzten runden Bau aus gebrannten Ziegeln noch in der winzigen, schiefen Hütte regte sich etwas. Gerald wusste nicht, ob es Enttäuschung oder Erleichterung war, die sein Herz zum Tanzen brachte. Er richtete sich auf. Als er das Geräusch hinter sich hörte, war es zu spät. Er spürte noch den Schlag auf den Hinterkopf, dann wurde alles schwarz.
     
    Stechende Schmerzen strahlten von einem Punkt an seinem Hinterkopf aus. Gerald versuchte, sich aufzurichten, und stellte fest, dass er sich nicht bewegen konnte. Einen Augenblick lang drohte die Panik ihn zu überwältigen. Er warf sich herum und begriff, dass seine Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren. Sekundenlang riss er an den Fesseln, doch die Lederriemen gruben sich nur tiefer in seine Handgelenke. Mit einem Aufstöhnen ließ Gerald sich zurücksinken und sah sich um.
    Ein Tisch, eine Truhe und ein Stuhl, mehr schien der Köhler nicht zu besitzen.
    Der Köhler! Gerald zuckte zusammen. Wer hatte ihn überhaupt bewusstlos geschlagen? Die Mörder? Oder …?
    Ein schrilles Kichern schreckte ihn auf. »Na, aufgewacht?«
    Gerald verrenkte den Hals, um den Mann zu erkennen, der sich mit verschränkten Armen über das Kopfende der Pritsche beugte.
    Der Mann stand im Schatten. Sein kahler Schädel und der ungepflegte Bart waren rußgeschwärzt, ebenso wie seine Hände und seine Kleidung. Er hatte sich verändert, doch die farblosen Augen hätte Gerald überall erkannt.
    »Ohm Sigurd?«, krächzte er. »Erkennst du mich nicht? Ich bin Gerald!«
    Der Mann schnalzte mit der Zunge. Es war ein lautes, schmatzendes Geräusch. »Du bist nicht Gerald. Das Pferd hast du gestohlen, das hätt’ er nie hergegeben!«
    »Wieso gleich die Keule, Ohm?«, rief Gerald verzweifelt.
    »Nee, nee! Nichts is mit Ohm! Mein Neffe is in Bregenz. Und da soll er auch bleiben, der Feigling. Er war ein guter Junge, er ist kein guter Mann geworden.«
    »Aber ich bin es wirklich!« Gerald kämpfte sich trotz der Fesseln in eine sitzende Position. »Du hast mir vom Wald erzählt, damals. Ich habe stundenlang mit dir am Meiler gesessen und deinen Geschichten gelauscht. Du hast mir von den alten Göttern erzählt.«
    »Ich weiß alles! Der Wind erzählt es den Blättern, und die erzählen es mir. Sie haben gesagt, Schurken kommen, und da bist du, du Pferdedieb, du!«
    Gerald stellte die Füße auf den Boden, aber der Alte stieß ihn mühelos zurück. In seinem Gürtel blitzte ein Messer.
    »Da, das Messer«, rief Gerald, »das hat Vater geschmiedet. Ich bin Gerald, Sohn des Gerald und der Mechthild.«
    »Der ist grad mal so groß, der kleine Hosenscheißer!« Sigurd hielt die flache Hand an seine Hüften.
    »Das war vor fünfzehn Jahren, Ohm.«
    »Nee, nee, der kleine Kerl war kürzlich mit Gerald hier.«
    »Das war ich, vor fünfzehn Jahren! Schau mich an.

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