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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Leichnam einer Patientin an ihr vorbeigetragen wurde. Besorgt spähte sie in den langen Saal, der sich an die Kammer zur Erstversorgung anschloss. Auf ihre Anweisung hin waren dort gerade zwei Schwestern dabei, die Leinen aller fünfzehn Betten zu wechseln, da die Tote womöglich einen ansteckenden Darmkeim in die Krankenstation des Moritzklosters eingeschleppt hatte. Hoffentlich wird sich die Lage bald wieder beruhigen, dachte sie und meinte dann zu der Hilfsschwester vor sich: »Tränkt den Lappen erst in das entzündungshemmende Bad, Schwester.« Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und zeigte auf eine Schüssel mit Kräutersud. »Damit betupft dann die Brust.« Die Angesprochene ergriff den Lappen und begann ihn, vorsichtig zu befeuchten. Als der getränkte Lappen seine zerrissene Brust berührte, stöhnte der Verwundete auf. Die junge Schwester wich ängstlich zurück.
    »Habt keine Angst vor ihm. Er braucht unsere Hilfe«, sagte Margit, schritt eilig vor ein Becken mit Wasser und begann, sich Blut aus dem Ärmel ihres Benediktinerinnen-Gewandes zu waschen. Dabei schaute sie immer wieder zu der Hilfsschwester hinüber. »Taucht den Lappen tief in den Sud. Die Wunde benötigt eine ordentliche Reinigung.«
    »Schwester Margit?« Eine gedrungene Schwester mit aschfahlem Gesicht kam aufgeregt hereingestürzt. »Hoher Besuch für Euch und ein wichtiges Schreiben, gesiegelt in Zeitz.«
    »Zeitz?«, fragte Margit, nahm das Schreiben an sich und trat aus dem Saal in den Kreuzgang. Sie ging ein paar Schritte und erbrach das Siegel. »Schwester Kora, bringt den Gast bitte in meine Zelle. Ich komme gleich.«
    Gebannt starrte Kora auf das Schreiben. »Das Siegel des Bischofs«, hauchte sie ehrfürchtig.
    »Schwester?«, fragte Margit und blickte die Schutzbefohlene, die mitnichten zwanzig Jahre jünger als sie selbst war, mahnend an. »Vergesst Euren Auftrag nicht.«
    »Sehr wohl!«, entgegnete Kora und machte sich alsgleich daran, die ihr übertragene Aufgabe auszuführen.
    Als sie sich allein glaubte, lehnte Margit sich erschöpft gegen eine der Mittelsäulen im Kreuzgang. Würde die Hektik auf der Krankenstation bald nachlassen? Seitdem das Nachbarkloster von einer Bande Schurken überfallen worden und keine der dortigen Schwestern ohne Verwundung oder Knochenbruch davongekommen war, hatten sie so viele Kranke und Verletzte zu pflegen wie noch nie. Margit atmete tief durch und las dann den Brief. »Endlich!«, seufzte sie, als sie ans Ende gekommen war, und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. »Der Zeitzer Bischof will uns noch vor Ende des Jahres eine neue Äbtissin schicken.«
    »Schwester Margit?«, erklang ein Ruf durch die Klausur.
    »Ich bin hier.« Margit faltete das Schreiben zusammen und erblickte eine Schwester, die aufgeregt auf sie zugerannt kam.
    »Ruhig, Schwester Erwina«, sagte sie und legte ihr die Hand auf die Schulter.
    »Ich benötige Hilfe für die Vorbereitung der Gesangsproben. Ich schaffe das nicht ohne Eure Kenntnis der höchsten Töne.« Die Schwester seufzte. »Ich befürchte, sonst werden wir die heilige Messe morgen nicht singen können. Schwester Johanna ist ebenfalls auf der Suche nach Euch. Sie sagt, der Honigwein, der zum Fest des heiligen Laurentius angesetzt wurde, ist überzuckert.«
    »Schwester Erwina, natürlich werden wir die heilige Messe morgen mit unseren Stimmen begleiten, und Schwester Johanna soll nicht verzagen. Ich erkläre ihr die gestaffelte Zuckerung später noch einmal«, beruhigte Margit, woraufhin Erwina hoffnungsvoll nickte. »Nachdem ich meinen Gast empfangen habe, komme ich zu Euch in die Kapelle«, sagte sie, richtete der Jüngeren die Kukulle und hielt dann zielstrebig auf ihre Zelle zu.
    Als sie dort der Burgherrin ansichtig wurde, verneigte Margit sich: »Gräfin.«
    Uta, die sich während der Wartezeit in der Kammer mit dem Schreibtisch und dem Gebetsbänkchen für einen kurzen Augenblick nach Gernrode zurückversetzt gefühlt hatte, antwortete nun: »Guten Morgen, Schwester Margit«, und deutete, mit der Hand am Schleier, ebenfalls eine Verbeugung an. Sie betrachtete das einfarbig schwarze Schwesterngewand, das aus einfachem Tuch gemacht war und gleichzeitig die Funktion eines Über- und Untergewandes zu erfüllen schien. Die Kukulle, ebenfalls in schwarzer Farbe, die anstelle des Gernroder Schleiers den Kopf bedeckte, ließ das Gesicht der Schwester strenger erscheinen.
    »Welches Anliegen führt Euch zu mir, Gräfin?«, fragte Margit noch

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