Die Herrin der Kathedrale
Feinde, Männer!«, sagte der Kaiser kraftvoll. »Mit dem Bau unserer Kathedrale ist Euch ewige Kraft sicher!«
»Wir schaffen es!«, riefen erste Kämpfer in den vorderen Reihen. »Die Kathedrale wird uns beschützen!«, stießen andere hervor, und die Botschaft gelangte auch bis zu jenen, die an die Mauern gepresst standen und die Fenster und Türen der Wirtschaftsgebäude belagerten. Unter Jubel fielen weitere in die Rufe ein. Zum Zeichen der Zustimmung reckten die Liutizen ihre Messer in die Höhe.
»Und nun lasst Euch vom Geist des heiligen Paulus, der auf den Schleier der Plantilla übergegangen ist, segnen!«, rief der Kaiser, nachdem Bischof Hildeward mit dunkelroten Wangen neben ihn zurückgekehrt und auf einen zweiten Sandstein gestiegen war. Konrad war erleichtert, die Männer von der Selbsthilfe überzeugt zu haben – vorerst der einzige Ausweg. Denn ein Feldzug bedurfte der Vorbereitung – mindestens ein Jahr. Währenddessen konnte er nur defensive Maßnahmen zur Unterstützung der Sachsen einleiten: die Förderung des Wiederaufbaus der zerstörten Gebiete. Womit er seinem Heer zugleich den Weg in die Grenzgebiete bereitete. Ein Jahr würden die Sachsen, allein durch den Glauben und durch einige lothringische Kämpfer gestärkt, durchhalten müssen. Gott stehe ihnen bei!
»Reiht Euch ein, um den Segen zu empfangen«, verkündete der Magdeburger Erzbischof, in dessen Herrschaftsbereich das Naumburger Bistum fiel, und trat neben den Zeitzer Hildeward, der mit der Verlegung seines Bischofssitzes nach Naumburg nun eine neue Heimat finden musste.
Zuerst drängten sich die geistlichen Berater des Kaisers zur Segnung. Stolz, der Hausherr der neuen Kathedrale zu werden, begann Hildeward von Zeitz, den Segen über dem Kopf des gebeugten Havelberger Bischofs zu sprechen. Dazu brachte er das geöffnete Kästchen auf Höhe von dessen Mitra und machte das Kreuzzeichen. Bischof Hildeward strahlte, als er spürte, wie die heilige Wärme dabei auch auf seinen Körper überging. Die abschließende Segnung übernahm Erzbischof Humfried von Magdeburg. »Die heilige Plantilla und der heilige Paulus beschützen Eure Seele«, beschied er dem Havelberger Bischof und schritt auf den nächsten Gläubigen in der Reihe zu.
Es dämmerte bereits, als Uta den Segen unter dem heiligen Schleier empfing. Danach trat sie aus der Masse heraus und schaute zur Mitte des Platzes. In ihrem neuen Zuhause würde eine Kathedrale entstehen. Der Kaiser pflegte sein Gericht vornehmlich in Kathedralen abzuhalten, erinnerte sie sich an die Worte Kaiserin Giselas. Die neue Kirche würde demnach für die Anklage eines Mörders geeignet sein. Doch ihr Bau dauerte mehrere Jahre. Würde sie mit der Anklage des Vaters so lange warten können? Im nächsten Augenblick sah sie den Vater in dem neuen Gotteshaus vor dem Kaiser niederknien und den Richterspruch empfangen. Vielleicht vor der nach innen gewölbten Westwand? Sie würde warten können! Tief in ihrem Inneren spürte Uta, dass ihr die neue Heimat zu Gerechtigkeit verhelfen könnte. Und die Bauzeit würde sie nutzen, um Beweise zu sammeln.
»Ich spüre weniger Kälte«, konstatierte sie und schaute an sich hinab. War dies das Zeichen dafür, dass ihre Seele endlich ruhiger wurde? Bis zur Fertigstellung der Kathedrale musste sie nun nur noch ihre Ehe durchstehen. Und Hazecha in Frieden wissen.
8. MIT MUT UND SCHÜRZE
Die Verlegung des dem heiligen Petrus und Paulus geweihten Bischofssitzes von Zeitz wird hiermit gewährt«, begann Bischof Hildeward die lang erwartete Breve, die der Heilige Vater an ihn persönlich gerichtet hatte, vor der Runde zu verlesen, die sich in der bischöflichen Arbeitskammer versammelt hatte. »Kraft apostolischer Machtvollkommenheit wird die Errichtung des neuen Bischofssitzes in Naumburg mit dem gesamten Zubehör der heiligen Zeitzer Kirche befürwortet.« 17 Hildeward schaute kurz von der Urkunde zum gegenüberliegenden Wandteppich mit dem Bild des Gekreuzigten. Dann, nach einem Moment der Stille, verkündete er: »Ich nehme die Weisung des Heiligen Vaters an.«
»Die schriftliche Bestätigung des Papstes vervollkommnet nun die Bischofssitzverlegung«, sagte Hermann an die Runde gewandt. Er hatte die Zusammenkunft einberufen, um neben der Verlesung der päpstlichen Breve und der Übertragung der Verantwortlichkeiten während seiner Abwesenheit seinen Werkmeister vorzustellen. Dieser hatte zu seiner Linken Aufstellung genommen, während Uta in Begleitung des
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