Die Herrin der Kathedrale
bröckelte.
»Willkommen, willkommen!«, wankte da ein Wamsträger aus dem Gebäude. »Wir haben endlich mal wieder Gäste«, näselte er und zog mit einigen Anlaufschwierigkeiten sein Schwert aus der verrosteten Scheide.
Uta trat hinter Arnold hervor. »Wer seid Ihr?«, fragte sie und spähte zum Burgsaal hinüber, aus dem Gegröle und Stimmengewirr zu ihnen drangen.
»Gestatten: von Spungnitz!« Der hochgewachsene Mann mit stoppeligem Bart und fettigem Haar verbeugte sich und ließ sein Schwert sinken, um nach dem Weinschlauch an seinem Gürtel zu greifen. »Ich bin der Verwalter dieser Burg hier.« Er machte mit der freien Hand eine einladende Bewegung und rülpste dabei. »Verzeiht, schöne Frau.«
Die scheinen unverdünnten Wein wie Wasser zu trinken!, dachte Uta und tauschte einen fragenden Blick mit Hazecha.
»Wo ist Esiko von Ballenstedt?«, fragte sie dann, um sicherzugehen, die Burg ohne Gefahr betreten zu können.
»Der Herr ist im Kampf. Er war schon ein ganzes Jahr nicht mehr hier«, antwortete von Spungnitz amüsiert. »Und sein Weib bevorzugt die Burg in Schwaben.«
Uta rechnete zurück und kam zu dem Ergebnis, dass Esiko vermutlich das letzte Mal zur Bestattung des Vaters auf Burg Ballenstedt gewesen war.
»Und wer seid Ihr?«, fragte von Spungnitz und nahm sie – so gut ihm das in seinem Zustand möglich war – in Augenschein.
»Zwei schöne Frauen und ein Mann. Da würde ich aber weit mehr strahlen als Ihr«, meinte er an Arnold gerichtet und grinste anzüglich.
Uta überlegte kurz, dem Verwalter ihre wahre Identität zu offenbaren und ihn dann auf seine Pflichten gegenüber der Ballenstedter Grafenfamilie hinzuweisen, doch schon im nächsten Augenblick verwarf sie den Gedanken wieder.
»Wir sind Pilgerinnen«, entgegnete Hazecha da auch schon, »und hoffen, dass es hier eine Kapelle gibt, in der wir ein Gebet sprechen können.«
»Beten? Hier?« Von Spungnitz kicherte wie ein Kleinkind.
»Selbst der Pfaffe hat die Burg längst verlassen. Aber die Kapelle benutzen dürft Ihr.« Er sog an seinem Weinschlauch, dass es blubberte, und erklärte dann, als ob dies das Normalste auf der Welt wäre: »Gegen entsprechende Münze natürlich.«
Uta wollte ob dieser neuen Unverschämtheit gerade auffahren, als Arnold beschwichtigend fragte: »Bietet Ihr uns dann auch eine saubere Kammer für die Nacht?«
Uta ging zu ihrer Satteltasche und holte eine Münze heraus. Von Spungnitz ließ seinen Weinschlauch sinken und biss mit seinen Vorderzähnen auf das Metall. Das Ergebnis seiner Prüfung zauberte erneut ein Grinsen in sein ungewaschenes Gesicht. »Dafür dürft Ihr sogar in unseren besten Kammern nächtigen.« Er brüllte nach einem Wolfgang und wankte dann wieder in Richtung Burgsaal zurück.
Daraufhin erschien ein zweiter Verwahrloster, in dessen Bart noch die letzten Essensreste hingen.
»Zeige den herrschaftlichen Pilgern die Kapelle und geleite sie anschließend in die guten Kammern hinauf.« Von Spungnitz ließ den Silberpfennig in der matten Wintersonne aufblitzen. Der mit Wolfgang Angesprochene deutete auf die Burgkapelle neben den Wohngebäuden für das Gesinde, die Uta sofort wiedererkannte, obwohl ihr jetziges Erscheinungsbild nur mehr wenig mit dem früheren gemein hatte: Moos überzog die Außenmauern, und als sie das Gebäude betraten, entdeckten sie direkt über dem Altar ein Loch im Dach. Einige Deckenbalken ragten ins Innere der Kapelle. »Bitte lasst uns alleine«, bat Uta den Betrunkenen und reichte ihm ebenfalls eine Münze, während ihr Arnold gleichzeitig bedeutete, dass auch er im Hof warten würde.
Seufzend zog Uta die Kapellentür hinter sich und Hazecha zu. Was war nur aus der elterlichen Burg geworden? Verlassen, heruntergekommen und von Trunkenbolden für ihre Gelage missbraucht. Als Utas Blick einen verrotteten Dachbalken ausmachte, der auf eine Stelle im Boden zu weisen schien, griff sie nach Hazechas Hand. »Das dort muss die letzte Ruhestätte des Vaters sein«, sagte sie und deutete auf eine Grabplatte an der Seitenwand der Kapelle. »Und das Grab der Mutter?«
Hazecha zuckte mit den Achseln. »Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wo wir ihren Sarg eingelassen haben. Es ist zu lange her, und ich hatte damals auch die meiste Zeit über die Augen zugekniffen.«
Uta nickte verständnisvoll. Da es üblich war, Ehepaare nebeneinander zu bestatten, trat sie zunächst vor das Grab des Vaters. Bei dem Gedanken, ihre letzte Ruhe nahe Ekkehard zu finden, wo es
Weitere Kostenlose Bücher