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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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doch Menschen gab, die ihr sehr viel näher standen, fröstelte sie. Tatsächlich entdeckte sie neben der väterlichen Grabplatte auch die der Mutter. Sie beugte sich hinab und fuhr mit den Fingern über die, bis auf die Lettern des Namens, schmucklose Steinplatte. »Das Grab der Mutter«, flüsterte sie und winkte Hazecha neben sich. Ein Schauer erfasste Utas Glieder.
    Gemeinsam ließen sie sich vor den Gräbern nieder und falteten die Hände. Um der Mutter ganz nah zu sein, knieten sie auf deren Grabplatte nieder. »Mutter, wir sind bei Euch«, begann Hazecha und berührte dabei ihren Talisman, den sie seit der Abreise aus Gernrode unverändert in der Innentasche ihres Gewandes trug.
    »Verzeiht mir meinen einstigen Ausritt entgegen der Anweisung des Vaters. Ich wollte nicht allein mit dem Hardagauer reiten, ich wollte Erna mitnehmen, konnte sie aber nirgendwo finden«, sprach Uta weiter. »Wir wissen, dass Esiko Euch Schlimmes angetan hat, und wir bitten Euch und den Allmächtigen auch dafür um Verzeihung. Lasst uns wissen, was wir tun können, um Esiko den richtigen Weg zu weisen und ihn zur Reue zu bewegen.« Hazecha fuhr fort: »Wir werden Eure Gedanken weiterführen. Danke für Eure Liebe und Zuneigung, Mutter. Ihr lebt in uns weiter.«
    Uta öffnete die Augen und schaute die jüngere Schwester an. Sie war wunderbar. So mutig und aufrichtig. Sie war ein Familienmitglied, auf das sie wahrhaft stolz war.
    Dann trat jede der beiden in ihren eigenen stummen Dialog mit der Mutter, berichtete von ihrem bisherigen Leben und von der überraschenden Begegnung in Gernrode.
    »Hazecha!«, hielt Uta da auf einmal inne, nachdem sie bemerkt hatte, dass die Grabplatte unter ihren Knien nachgab.
    »Sieh doch, die Platte lässt sich bewegen!« Erstaunt rutschte Uta zur Seite und schob den Stein mit aller Kraft ein Stück weiter von sich fort.
    »Ihr Grab ist nicht verschlossen.« Hazecha fasste mit an, und gemeinsam bewegten sie den Stein so weit, dass sie in das Grab hineinschauen konnten. Doch alles, was sie zu erkennen vermochten, war, dass es leer war.«
    Die Schwestern starrten einander fassungslos an.
    »Was kann das bedeuten?«, fragten sie dann gleichzeitig.
    »Vielleicht hat man sie umgebettet, weil die Burgkirche und damit auch das Grab hier dem Wetter ausgesetzt sind.« Hazecha deutete hinauf zu dem großen Loch in der Decke der Kapelle.
    »Und die Ruhestätte des Vaters?«, fragte Uta.
    Hazecha zuckte mit den Schultern, dann machte sie sich mit Utas Hilfe daran, dessen Grabplatte zu bewegen.
    »Die Platte sitzt fest«, sagte Hazecha. »Dann sollten wir sie auch nicht mit Gewalt verschieben.«
    »Du hast recht. Sicherlich wurden unsere Eltern gemeinsam umgebettet und nur Wind, Staub und Dreck haben die Grabplatte des Vaters wieder verschlossen.« Uta erhob sich. »Lass uns morgen den Verwalter fragen. Vielleicht weiß er etwas«, schlug sie vor, nachdem sie durch das Loch im Dach erkannt hatte, dass es bereits Abend geworden war.
    »Und wenn er nichts weiß«, fügte Hazecha hinzu, »machen wir unseren einstigen Burggeistlichen ausfindig.«
    Bevor sie das Gotteshaus mit einem doppelten Kreuzzeichen verließen, schoben sie die Steinplatte wieder über das Grab der Mutter, so dass es erneut verschlossen war. Als sie den Burghof betraten, lehnte Arnold offensichtlich erschöpft an der Wand der Kapelle, straffte sich aber, als er die beiden Frauen kommen sah. »Ich geleite Euch hinauf, Gräfin.« Aus einer Halterung im Mauerwerk nahm er einen Feuerspan und führte die Frauen die Außentreppe hinauf in den Wohnturm. Aus der offenen Tür des Burgsaales drangen nach wie vor Gelächter und derbe Sprüche nach draußen. Uta vernahm die Stimmen von Frauen, die der abendlichen Feier ebenso beizuwohnen schienen.
    »Dann werden wir uns jetzt zur Ruhe begeben«, sagte Uta, als sie vor ihrer einstigen Kemenate angekommen waren, und wies Arnold die kleinere Mägdekammer daneben zu.
    »Aber Ihr solltet nicht alleine bleiben«, gab Arnold zu bedenken. »Ich traue dem Verwalter nicht.«
    »Ihr seid doch gleich nebenan.« Uta winkte ab. »Wir rufen, wenn wir Eure Hilfe benötigen. Überdies denke ich, dass der Verwalter in seinem Zustand für niemanden mehr eine Gefahr darstellt.«
    »Wie Ihr wünscht, Gräfin«. Mit diesen Worten entfernte Arnold sich und sank müde auf das harte Dielenlager, das die kleine Kammer ihm bot.
    Uta war mulmig zumute, als sie die Tür zu ihrer Kemenate aufschob, doch die Anwesenheit Hazechas bestärkte

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