Die Herrin der Kathedrale
würde sie keine weitere Unterstützung mehr von Gott erhalten. Kälte ist mein Los!, durchfuhr es sie, denn die Aussicht auf Wärme und eine friedliche Seele war damit endgültig verwirkt.
»Wünscht Ihr etwas zu trinken, Gräfin?« Katrina war erneut mit einem Becher Milch vor Uta getreten, die deren Verschwinden nicht einmal bemerkt hatte. »Der Herr Arnold lässt sie Euch aus der Küche schicken. Sie ist frisch aus dem Stall.«
»Die von Gott gewollte Ordnung …«, wiederholte Uta gedankenverloren und legte die grüne Vierkantspange zu Hazechas Briefen in der Gewandtruhe, um sie nicht noch wie die Eheklammer zu verlieren.
Katrina lächelte Uta aufmunternd zu, als sie deren gerötete Augen sah. »Und Erna lässt Euch ausrichten, dass Luise und Selmina ihrer Tante gerne ihren ersten selbstgewundenen Blumenkranz schenken wollen.«
Uta ergriff den Becher und trank einen Schluck. »Blumenkranz?« Uta sah Ernas lebensfrohe Zwillinge gemeinsam auf einer Wiese herumspringen und daneben sich und Hazecha in gleicher Verbundenheit. »Ich möchte bei dir sein, Hazecha«, flüsterte sie, befestigte den Schleier mit schmucklosen Ersatzklammern im Haar und trat einen Schritt auf Katrina zu. »Ich bin bei …«, begann sie.
Das Kammermädchen nickte sogleich, um ihrer Herrin das Wort Grab zu ersparen. »Ich weiß«, entgegnete sie und schaute Uta, die in den Gang getreten war, besorgt nach.
Am Eingang zum Garten des Moritzklosters stiegen Uta erneut Tränen in die Augen. Das Grab der Schwester sah sie von weitem. Sie schritt vorbei an den anderen Ruhestätten, einige davon lediglich mit Holzkreuzen versehen. Vor der Grabplatte der Schwester sank sie in die Knie. »Hazecha«, schluchzte sie, »ich bin schuld an deinem Tod. Ich habe Gott erzürnt.« Den Blick starr auf die steinernen Buchstaben gerichtet, hatte sie nicht bemerkt, dass Ekkehard von Schwester Margit in den Garten geleitet worden war.
Ekkehard betrachtete seine Gattin vor dem Grab. Ihre kraftlose Gestalt und die dunklen Ringe unter ihren Augen erinnerten ihn an einen Ritter nach einer verlorenen Schlacht. Flüchtig streifte sein Blick die Grabplatte zu ihren Füßen und die Buchstaben darauf: HAZECHA VON BALLENSTEDT . In diesem Moment wusste er, dass er richtig gehandelt hatte, als er Utas Verstoßung zum vergangenen Fest Christi Geburt auf einen späteren Zeitpunkt verschoben hatte. Es wäre ansonsten einer Situation gleichgekommen, in der er hoch zu Ross und mit Schild und Langschwert in den Händen auf einen Unbewaffneten auf dem Boden eingehoben hätte.
»Unsere kaiserliche Hoheit bittet uns nach Merseburg«, sagte er nach einem ausgedehnten Räuspern. »In Merseburg soll ein Hoftag abgehalten werden.« Sein Blick fixierte die Ersatzklammer am Schleier über dem linken Ohr der Gattin. Mühevoll erhob sich Uta. »Ich bin im Moment nicht imstande, einem Hoftag beizuwohnen«, entgegnete sie mit zitternder Stimme.
Ekkehard schwieg betroffen, als sie ihn dabei mit leerem Blick anschaute.
»Ohne den Garten hier fühle ich mich noch verlorener«, setzte Uta nach und schaute auf die Grabplatte.
»Der Kaiser hat Eure Anwesenheit erbeten«, entgegnete Ekkehard mit nahezu einfühlsamer Stimme. »Uta, ich bitte Euch, mich zu begleiten.«
Uta blickte auf. In den zurückliegenden Jahren ihrer Ehe hatte er sie noch nie bei ihrem Namen genannt.
»Exzellenz Bischof Hildeward ist heute bereits vorausgeritten. Wir würden morgen mit den Getreuen nachziehen.« Ekkehard zögerte kurz, dann legte er seine Hand auf ihre Schulter. »Ich verstehe Euren Schmerz und bedauere ebenfalls, dass der Bau nun stillsteht und ich damit dem Vater die Grablege versage«, fügte er hinzu und wandte sich zum Gehen.
»Der Brand hat Euch nicht die Grablege für den Vater, sondern den Bruder genommen«, kam es ihr über die Lippen, obwohl sie die Worte ursprünglich nicht hatte aussprechen wollen.
Ekkehard hielt in seiner Bewegung inne. »Ich treffe Euch morgen bei Sonnenaufgang im Hof der Hauptburg«, entgegnete er unsicher. Bevor er aus der Klosteranlage trat, warf er noch einen nachdenklichen Blick auf seine Gattin, die wieder vor der Grabplatte niedergekniet war.
Zum Schutz vor den Strahlen der Sommersonne legte Konrad die Hand über die Augen und schaute sich um. Auch die Nachhut schien sich wieder in Gang gesetzt zu haben. Sie waren mit kleinem Gefolge, mit kaum mehr als dreihundert Getreuen, unterwegs. Auf der weiteren Reise nach Merseburg würden noch einmal weitere
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