Die Herrin der Kathedrale
einhundertfünfzig zu ihnen stoßen – die Fürsten, Äbte und Grafen seines ostfränkischen Reiches. Konrad gab seinem Hengst die Sporen und holte zu Gisela auf, die begleitet von ihren Hofdamen und einem halben Dutzend Leibwachen in der Mitte des Zuges ritt. »Haben wir eine Auflistung aller Teilnehmer?«, fragte Konrad und schaute auf das Pergament in Giselas Satteltasche, auf dem der Ablauf der kommenden fünf Tage in Merseburg detailliert festgehalten war.
Besorgt wandte Gisela sich dem Gatten zu.
»Er wird also nicht erscheinen?«, interpretierte Konrad ihren Gesichtsausdruck. »Erst lässt sich Hermann von Naumburg dazu hinreißen, dem Bau der Kathedrale zu entsagen, dann bittet er mich, die Markgrafenwürde noch zu seinen Lebzeiten auf den jüngeren Bruder zu übertragen, und jetzt folgt er unserer Einladung zum Hoftag nicht!«
»Beruhigt Euch, Gemahl«, versuchte Gisela ihn zu besänftigen und gab den Leibwachen ein Zeichen, Abstand zu halten. Die Augen dennoch aufmerksam auf das Herrscherpaar und die nähere Umgebung gerichtet, ließen die sich daraufhin auf Höhe der Hofdamen zurückfallen.
»Aber er tut das alles ohne unsere Zustimmung!«, beharrte Konrad. »Dabei habe ich den Bau nur auf seinen Wunsch hin ermöglicht, die Sitzverlegung beim Papst erwirkt und zur Grundsteinlegung aufgerufen!«
»Seid nachsichtig mit dem Meißener Markgrafen. Trauer und Schmerz haben sein Gemüt verdüstert.« Gisela lenkte ihre Stute ganz nah an das Pferd des Gatten. Beide Tiere waren diese Nähe längst gewohnt und ließen sich dadurch nicht aus dem Rhythmus bringen. »Man erzählt sich, dass er selbst den Brand verursacht hat«, sagte Gisela leiser, nachdem sie Konrad besänftigend über die Brust gestrichen hatte. Bevor sie weitersprach, versicherte sie sich erneut, dass niemand sie hören konnte. »Wir sollten uns auf Burgund konzentrieren, Gemahl. Eure Krönung dort liegt gerade einmal einen Mondumlauf zurück, und wir müssen noch einige der dortigen Adligen hinter uns bringen. Graf Odo akzeptiert den Erbvertrag immer noch nicht und hat bereits Niederburgund in Besitz genommen. Hier im Osten ist der Feind hingegen unterworfen.«
Konrad ballte die rechte Hand zur Faust. »Dabei hatte in Burgund alles so einfach ausgesehen!«
»Da sprecht Ihr wahre Worte. Ich hatte auch geglaubt, dass wir einfach dort einreiten, uns krönen und uns huldigen lassen könnten, nachdem Rudolf von Burgund verstorben war«, stimmte Gisela zu. Doch die Rückeroberung Niederburgunds aus den Händen Graf Odos von Blois-Champagne war bisher nicht geglückt.
»Die Bauarbeiten an der Kämpfer-Kathedrale müssen unbedingt wiederaufgenommen werden«, brachte Konrad vor und lüftete den Kragen seines geschlossenen Gewandes. »Das Bauwerk hat meinem Heer Kraft gegeben und wird dies auch für die anstehenden Kämpfe mit Graf Odo und alle nachfolgenden tun.«
»Ihr habt recht, denn nach Burgund werden wir die Kämpfer auch noch für Italien benötigen«, ergänzte Gisela. »Ich denke, wir kommen nicht umhin, ein zweites Mal über die Alpen zu ziehen. Ihr erinnert Euch an die Schreiben des Aribert von Mailand?«
Konrad legte die Stirn in Falten. »Wir müssen Hermann von Naumburg erklären, dass er sich den Reichsinteressen unterordnen muss. Schließlich haben wir dem Heer eine fertige Kathedrale in nur zehn Jahren versprochen. Uns verbleiben noch fünf Jahre, unser Versprechen einzulösen.« Bei diesen Worten dachte Gisela unwillkürlich an ihre frühere Hofdame, die einst voller Begeisterung von den Bauarbeiten gesprochen hatte. In Utas Briefen, die seit dem Brand jedoch ausgeblieben waren, hatte sie zuletzt von der Materialbeschaffung für die Türme und von Zeichnungen für die Gewölbe der Seitenschiffe gelesen.
»Zumindest hat uns Ekkehard von Naumburg seine Teilnahme am Hoftag versichert. Mit ihm können wir die Fertigstellung besprechen«, brummte Konrad.
»Erscheint er mit seiner Gattin, wie wir ersucht hatten?«, fragte Gisela ungewöhnlich ungehalten, da es Usus war, Frauen auf der Liste der Teilnehmer nicht zu vermerken.
»Entschuldigung, Kaiserliche Hoheit«, ritt da eine der Leibwachen an Konrads Seite. »Heerführer Graf Esiko wünscht Euch in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen.« Fragend schaute Konrad zu Gisela, die daraufhin knapp nickte.
»Kaiserliche Hoheit, ich grüße Euch«, schloss Esiko kurz darauf zum Kaiser auf und klopfte seinem Pferd, das vom anstrengenden Ritt erschöpft war, beruhigend den Hals.
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