Die Herrin der Kelten
irgendwo anders hinzusehen, so prachtvoll war der Anblick.
»Bruder.« Breaca redete den Mann ihr gegenüber auf die gleiche Art und Weise an, wie er sie damals angeredet hatte, als er gekommen war, um ihnen bewaffnete Unterstützung in einem Krieg gegen die Coritani anzubieten.
Togodubnos erwiderte ihren Gruß nickend. »Schwester. Was führt dich hierher?«
Er wusste sehr gut, aus welchem Grund sie gekommen war, hatte es wahrscheinlich schon seit Tagen, wenn nicht sogar seit Monaten gewusst; die trinovantischen Spione waren überall. Dennoch verlangte er eine Antwort von ihr, öffentlich vorgebracht und öffentlich vernommen.
Förmlich erwiderte Breaca: »Die Götter haben es für angebracht gehalten, uns mit einer Gruppe schiffbrüchiger Seeleute zu beehren. Es ist der Wunsch unserer Ältesten, dass sie zu einem geeigneten Handelsschiff gebracht werden, das nach Gallien fährt und sie wieder in ihre Heimat zurückbringt. Wir haben uns verpflichtet, für ihre Sicherheit zu sorgen, und zwar bis zu dem Moment, in dem sie an Bord des Schiffes gehen. Da du der Bevollmächtigte deines Vaters bist, der in seinem Auftrag bei unserer Ratsversammlung gesprochen hat, möchten wir dich um die Erlaubnis bitten, eure Tore zu passieren und nach Süden zu dem großen Fluss zu reiten.«
»Und du bringst uns unseren Bruder, Caratacos, zurück.« Es war das erste Mal, dass Breaca die gallische Version des Namens hörte. Togodubnos machte eine Feststellung daraus, nicht eine Frage, und benutzte sie als Mittel, um nicht auf ihre Bitte zu antworten.
Caradoc antwortete selbst. »Ich war an Bord der Greylag «, erklärte er, doch auch das hatten die Trinovanter längst gewusst. »Ich habe das Unglück nur dank Breacas Hilfe und der ihrer Familie überlebt. Sie sind, wie du vor langer Zeit einmal gesagt hast, unsere engen Verwandten, wenn auch nicht dem Namen nach.«
»In der Tat.« »Und ich habe gehört, dass ich noch andere Verwandtschaft habe - dass du einen Sohn gezeugt hast. Ich gratuliere!«
Er sprach leichthin, mit nicht mehr als einer ganz schwachen Andeutung seines früheren Zorns, doch Breaca war nicht die Einzige, die den Stachel in seinen Worten hörte. Sie hielt die Graue ruhig. Es war die stämmige braune Stute ihr gegenüber, die nervös zuckte, und Amminios’ kastanienbrauner Hengst. Togodubnos selbst war absolut beherrscht. Hätte sie ihn nicht schon von früher her gekannt, hätte sie weder den plötzlichen Hauch von Röte auf seinen Wangen bemerkt, noch die Warnung in seinen Augen erkannt.
Ruhig sagte er: »Odras lässt dich herzlich grüßen und bittet dich um Entschuldigung, dass sie nicht anwesend sein konnte, um dich persönlich zu begrüßen.«
»Das möchte ich aber auch meinen, wo sie doch besser reiten kann als der Rest von euch zusammengenommen.« Caradocs Lächeln war angespannt, und der Spott war ebenso nach innen gerichtet wie nach außen. »Dennoch fühle ich mich geehrt. Und ich hoffe doch, dein Sohn ist bei besserer Gesundheit als seine verstorbene Schwester es war?«
Es hätte durchaus eine aufrichtige Frage sein können. Togodubnos ließ sich Zeit, um sich eine Antwort zu überlegen, und eine andere, sehr viel barschere Stimme füllte das Schweigen.
»Es geht ihm sehr gut. Die Thronfolge ist somit gesichert. Es steht dir also frei, deine Laufbahn als Matrose der Handelsmarine fortzusetzen.«
Die Worte fielen wie ein Donnerschlag in die Stille, ein Donnerschlag, der durch Breacas Brust bebte und ihren Herzschlag aus dem Rhythmus brachte. Da sie Mitglied der königlichen Familie war und der Stolz ihres Volkes mehr noch auf ihr als auf den anderen ruhte, zwang sie sich, nach links zur Quelle dieser Worte zu blicken, zu dem Mann, dessen Name seit ihrer Kindheit sowohl eine Gefahr als auch eine Verheißung gewesen war: zu Cunobelin, Hund der Sonne, Hüter seines Volkes, gnadenloser Vernichter seiner Feinde, Falke der Diplomatie und räuberischer Wolf der Handelsstraßen.
»Sei gegrüßt, Prinzessin.« Er hatte graue Augen, genau wie sein jüngster Sohn, und sie lachten Breaca aus.
Er war kein stattlicher Mann; sowohl Togodubnos als auch Heffydd, sein Träumer, waren wesentlich kräftiger gebaut als er, und er war auch nicht besonders groß. Sein Haar war von einem schwer zu beschreibenden Farbton, der an spätherbstliches Stroh erinnerte und von den weißen Dachsstreifen des Alters durchzogen war. Sein Torques und sein Schild bestanden aus mit kunstvollen Mustern verziertem Gold, und die
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