Die Herrin der Kelten
Schlangenspeer-Kriegerin, und eher würde er sterben, als dass er tatenlos mitansehen würde, wie die Trinovanter seine Pferde raubten. Er brüllte den Namen seiner Schwester wie einen Schlachtruf, als er die Stute herumzog und mit den Fersen zum Galopp antrieb, und sie durchbrachen den Kreis der feindlichen Krieger wie ein Speer, der durch eine Zielscheibe aus Stroh schießt. Neben ihm klammerte Iccius sich an das graubraune Hengstfohlen, während sie sich Seite an Seite zum Flussufer durchkämpften. Zehn Schritte, und er war am Ziel.
»Bán!«
Der Schrei kam von seiner Linken, wo Iccius kurz zuvor noch gewesen war. Bán konnte sich jedoch nicht umdrehen; ein alternder Krieger mit weißen Strähnen im Haar und der Schläue langjähriger Kampferfahrung war von rechts auf ihn losgegangen. Die Stute hatte mit ihren tödlichen Hufen nach ihm ausgekeilt, den Angreifer aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund nicht getroffen, und nun blieb es Bán überlassen, sie beide zu retten. Es war der Stoff, aus dem seine Tagträume waren: ein echter Entscheidungskampf, ausgetragen zwischen Helden. Er fühlte eine seltsame Leere an seiner Seite, ähnlich wie eine Lücke in einer Mauer, die den Wind durchlässt, und er wusste, dass Hail jetzt hätte hier sein müssen, um die Sache perfekt zu machen. Trotzdem, es fehlte nicht mehr viel daran. Er stieß einen wortlosen Schrei der Hoffnung und der Wut aus und holte mit seinem Schwert zum Vorhandschlag auf die weiße Haut an der Kehle des Kriegers aus.
»Bán! Hinter dir! Es ist eine Falle!«
Die Worte drangen an sein Ohr, ergaben aber keinen Sinn. Seine Klinge traf lediglich Luft, und der Schwung des Hiebs brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Der Krieger mit dem weiß melierten Haarschopf grinste höhnisch. Bán holte zum Rückhandschlag aus, doch plötzlich fiel ein Schatten über seine Schulter. Er sah ihn, aber den Bruchteil einer Sekunde zu spät, um noch reagieren zu können, und diese Verzögerung sollte ihm zum Verhängnis werden. Der Hieb auf seinen Kopf traf ihn mit der Wucht eines Blitzschlags. Die Sonne explodierte und ging in Finsternis über, fing den Schmerz ein und umschloss ihn, noch bevor er laut aufschreien konnte. Die Stute schrie für ihn, oder vielleicht war es auch Iccius, und er fühlte, wie er stürzte. Irgendwo in einer anderen Welt stand Amminios über ihm, den Mund zu einem breiten Grinsen verzogen.
»Breaca!«
Sie hörte den Ruf wie aus weiter Ferne, gefiltert durch den Lärm und das Chaos der Schlacht. Sie würde sterben, dessen war sie sich sicher. Die Szene glich aufs Haar dem Traum, den sie während ihrer drei langen Nächte am Ort der Ahnen erlebt hatte, doch nun war sie keine unbeteiligte Beobachterin mehr, sondern war in das blutige Geschehen verwickelt und bereitete sich darauf vor, allen unüberwindlichen Widrigkeiten zum Trotz in Würde und Ehre zu sterben. Die Kampfadler waren einfach zu zahlreich, sie waren zu gut bewaffnet und zu gut vorbereitet, und die Eceni waren nichts von alledem.
Irgendwann im Laufe des Kampfes, als sie die Parallelen zwischen ihrem Traum und dieser Schlacht erkannt hatte, hatte sie zu der verstorbenen älteren Großmutter gebetet und sie gefragt, ob es irgendetwas gab, was sie tun konnte, ob sie vielleicht irgendeinen Umschwung bewirken könnte, der ihnen eine Chance gegen die Übermacht des Feindes verschaffen würde. Die einzige Antwort war Schweigen gewesen, und das hatte genügt, um ihr klar zu machen, dass sie dem Tode nahe war und dass sie nichts anderes mehr tun konnte, als würdevoll zu sterben, wenn es so weit war. Das Wissen darum bescherte ihr einen inneren Frieden, der sie in den ruhigen Augenblicken des Kampfes erfüllte, wenn ein Angreifer unter ihrer Klinge starb und ein anderer erst noch seinen Platz einnehmen musste, oder in den langen Zeiträumen zwischen zwei Herzschlägen, wenn ihr ihre singende Klinge eine kurze Ruhepause verschaffte und sie und der Feind Atem schöpfen konnten.
In jenen Augenblicken wuchs sie über sich selbst hinaus und sah das Gemetzel so, wie Briga es sah, von außen und von oben und mit einem nüchternen Interesse, das keine Gefühle zuließ. Es war nicht so, wie die Sänger es immer schilderten; keiner von ihnen hatte von herausgerissenen Gedärmen gesungen, von zerfetzten Gliedern, von Blut und zersplitterten Knochen und davon, wie qualvoll lange der Todeskampf eines Verwundeten dauert, wenn der Hieb nicht sauber ausgeführt ist -, aber sie hatten auch nicht die
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