Die Herrin der Kelten
Gefühl bleierner Schwere aus. Er nahm nur noch ganz vage wahr, wie Airmid ihn bei den Schultern fasste, auf das Bett neben Hail legte und dann die Schlaffelle hochzog, um ihn zuzudecken. Er hörte nicht mehr, wie sie hinausging.
VII
Kühle Finger, sanft auf ihre Stirn gelegt, und Machas Stimme an ihrem Ohr weckten Breaca auf.
»Breaca? Lass deinen Traum los. Es ist Zeit zum Aufstehen.«
Der Traum war voller Gewalt gewesen; ein wilder, blutiger Kampf mit lautem Schwertergeklirr und erbitterten Speerstößen, und genau in dem Moment, als Breaca aufwachte, waren die Männer gestorben. Jetzt lag Breaca ganz still im Dunkeln, während sie dieses Gefühl, das der Traum in ihr hinterlassen hatte, zu verdrängen versuchte. An seine Stelle trat aber sogleich ein dumpfes Hungergefühl und vor allem der noch wesentlich schmerzhaftere Würgegriff der Vorahnung und der Furcht. Sie atmete tief durch, und ihre Gedanken wanderten zunächst zu Airmid und schließlich zu ihrem Vater. Erst als der Aufruhr in ihrem Inneren langsam abebbte, öffnete sie die Augen. Macha war bei ihr. Sie stand über Breaca gebeugt, bereits fertig angekleidet für die Zeremonie und mit Federn geschmückt. Ihr schmales Gesicht mit den kleinen Lachfältchen um die Augen blickte Breaca ernst an.
»Hier. Das ist für dich.« Sie hielt Breaca eine Tunika hin. Es war die graue Tunika, die Breaca seit dem Mittsommertreffen nicht mehr getragen hatte, diejenige, die einst ihrer Mutter gehört hatte. Zu der lauernden Angst in ihrem Inneren gesellte sich nun der ihr schon allzu bekannte Messerstoß der Trauer. Breaca griff nach der Tunika und schlüpfte hinein. Macha half ihr, den Gürtel zu knoten, und strich mit einem Kamm durch Breacas Haar, ließ es lang und offen über ihren Rücken fließen, wie es die Kinder trugen. »Ruhst du in deiner Mitte?«, fragte sie.
Das war die traditionelle Frage, und sie erforderte die überlieferte Antwort. »Ja, ich ruhe in meiner Mitte.«
Macha glaubte ihr zwar nicht, lächelte aber dennoch. Keinem Mädchen, das an der Schwelle zur Frauwerdung stand, konnte ernsthaft abverlangt werden, dass es in seiner Mitte ruhte.
»Hast du alles, was du benötigst?«
Diese Frage gehörte nicht mehr zum traditionellen Rahmen und war deshalb umso wichtiger. »Ich denke schon.«
Breaca zog ihren Gürtel straff, steckte das Messer hinein und band die um das Heft geknotete Schnur am Ledergürtel fest. Auf der anderen Seite hing ihre Beuteltasche. Sie öffnete sie noch einmal und kontrollierte den Inhalt: eine kleine, verkorkte Taschenflasche für ein wenig Wasser; eine zweite Flasche, diesmal mit einer etwas größeren Öffnung und einem festeren Boden, um ein paar glühende Kohlen aus dem Herdfeuer zu beherbergen, mit denen sie später ihr eigenes Feuer anzünden würde; ferner ein Bündel getrockneten Salbeis, um den Göttern ihr Opfer darzubringen; ein etwas kleineres Päckchen, in dem sie für Macha die Schwinge eines Zaunkönigs eingeschnürt hatte, und schließlich noch ein Fuß der wilden kleinen Eule mit den stechenden gelben Augen, die die Visionen ihrer Mutter getragen hatte. In ein Ampferblatt eingerollt lag der Oberschenkelknochen eines Frosches, den Airmid ihr zum Geschenk gemacht hatte, um damit das Ende des Sommers anzuzeigen. Breaca löste die Verschnürung um das Blatt, ließ ihren Finger über die ganze Länge des Knochens gleiten und sammelte die Erinnerungen, die er in sich barg, um damit auch die letzten Überreste ihres Traums und den hartnäckigen Stich der Angst zu verbannen. Sie war Breaca von den Eceni, und sie war im Begriff, zur Frau zu werden. Beinahe zwölf Jahre lang hatten sich alle ihre Tagträume nur um dieses eine Thema gedreht. Und seit dem Todestag ihrer Mutter waren viele ihrer Nachtträume dazu bestimmt gewesen, sie auf genau dieses Ereignis vorzubereiten. Nun war sie bereit, hinauszugehen und drei Tage und drei Nächte lang in einsamer Abgeschiedenheit zu überleben und dabei keiner anderen Stimme folgen zu können als der ihrer eigenen Eingebungen. Und diese Gedanken würden keine schlechten oder niederträchtigen sein. Breaca nahm die Hand aus ihrem Beutel und zog das Bindeband zu. »Ja«, antwortete sie, »ich habe alles, was ich brauche.«
»Gut. Dann komm mit nach draußen. Es ist Zeit, dass du dich auf den Weg machst.«
Breaca trat vor den Türvorhang und stellte fest, dass sie schließlich doch nicht allein war mit der Nacht. Eine menschliche Schlange erstreckte sich bis vor ihre
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