Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
huschte ein Lächeln über Marocias Mund, und diese flüchtige Geste stillen Einverständnisses war genug, um Sergius glücklich zu machen. Sichtlich entspannt richtete er sich auf. »Im Übrigen«, fügte er an Theodora gewandt hinzu, »habe ich die Erfahrung gemacht, dass nicht die Menge des Gesagten wichtig ist, sondern der Inhalt. Mir jedenfalls gefällt ihr Schweigen.«
»Nun, wenn das so ist . . .«, bemerkte Theodora und überreichte dem Kardinal den Rosenzweig, den sie vorhin gepflückt hatte. Sie hatte allen Grund, zufrieden zu sein. Ihre Tochter würde fortan ein hervorragendes Pfand für Sergius’ Wohlwollen gegenüber ihrer Familie sein. Vielleicht würde man es eines Tages brauchen.
Sergius war gerade im Begriff, sich mit Theodora und Marocia auf die Bank zu setzen, als einer der Bewaffneten in das
peristyl
stürmte. »Herr, Herr!«, rief er. »Der Mob – er stürmt den Lateran. Die ganze Stadt ist in Aufruhr. Überall werden Edle erschlagen.«
Sofort entstand ein großes Durcheinander. Hausdiener, Zofen und Bewaffnete liefen richtungslos im Haus umher. Egidia kam mit dem weinenden Leon herbeigeeilt. »Wo ist der Herr?«, rief sie. »Im Gericht? Wird ihm dort doch hoffentlich nichts geschehen, Eurem Gemahl?«
»Du hast Sorgen!«, rief Theodora verzweifelt. »Sein Gerichtsgebäude ist wie eine Festung gebaut. Sag mir lieber, wo
wir
uns verstecken sollen. In der Speisekammer? In der Latrine vielleicht? Oder hier, zwischen den Rosen?«
»Hier können wir nicht bleiben«, ging Sergius mit energischem Tonfall dazwischen, den ihm niemand zugetraut hätte. »Meine Wache allein kann gegen den Mob nichts ausrichten. Wir müssen mit allen Bewohnern der Villa zum Lateran durchbrechen. Euer Mann wird das Gleiche versuchen.«
»
Ich
soll auf die Straße?«, rief Theodora. »Wo der Pöbel marodiert? Und nur mit«– sie zeigte auf sein geistliches Gewand –»mit
Euch
und den paar Männern? Das ist doch Wahnsinn!«
Die umstehenden Hausdiener stimmten ihrer Herrin raunend zu. Hier in der Villa würden die Aufständischen, deren Wut sich nur gegen die Edlen richtete, den Dienern nichts tun. Sie gehörten doch selbst zu den einfachen Leuten, trugen die gleiche grobe Kleidung wie sie, hatten die gleiche ledrige Haut, ja teilten sogar ihre Furcht vor der Rache des ausgegrabenen, verstümmelten Papstes. Vielleicht würde die Villa verwüstet und angezündet, vielleicht die Herrin erschlagen, aber ihnen selbst würde kein Rebell etwas zuleide tun. Da draußen aber würden sie, umringt von Bewaffneten und in Begleitung des Kardinals, wie Verbündete der Edlen wirken.
»Wir bleiben hier!«, meinten einige von ihnen. Und andere schimpften: »Kümmert Euch um Eure Sachen, wir wissen selbst am besten, was gut für uns ist.«
Sergius hob die Augenbrauen. »Hört zu«, rief er. »Ich rechne mir aus, dass die Rebellen den Lateran bereits erfolgreich gestürmt und dort gewütet haben. Bald werden sie sich auf die Residenzen der Edlen stürzen. Wenn wir also dorthin gehen, wo die Marodeure schon gewesen sind, wird die Gefahr am geringsten sein. Für uns alle. Denn glaubt mir, der Mob macht keinen Unterschied zwischen den Edlen und denen, die ihnen dienen.«
Doch die Leute hörten nicht. Einige liefen davon, bevor die Bewaffneten sie zurückhalten konnten, andere setzten sich demonstrativ mit verschränkten Armen auf den Boden. Nur Egidia blieb an der Seite des Kardinals, Leon und Marocia mit ihren schweren Armen umfassend.
»Hast du Angst?«, fragte Sergius das Mädchen und strich ihm tröstend über die Haare.
Marocias Herz schlug bis zur Kehle. Ihr war noch lebhaft in Erinnerung, wie beim Einsturz der Kirche vornehme Edle in Panik zu Ungeheuern geworden waren. Nun stellte sie sich die Fratzen der Besessenen da draußen vor: glühende Kohlen in den Augenhöhlen, gefletschte Zähne und geballte Fäuste. Sie blickte kurz zu ihrer Mutter, die neben ihr stand, die Hände rang und hektisch nach allen Seiten blickte, so als suche sie dort irgendwo einen Ausweg. Daraufhin krampfte sich Marocias Hand um die ihrer Amme, doch ihr Kopf hob sich gelassen und voll Stolz.
»Sehr Ihr«, sagte Sergius zu Theodora. »Wenn Eure Tochter den Mut hat, findet Ihr ihn doch auch, oder?«
Sergius wartete ihre Zustimmung nicht ab, sondern erteilte sofort einem seiner Bewaffneten den Befehl, aus der Stadt auszubrechen und nach Spoleto zu reiten, um der Herzogin Bericht zu erstatten. Die fünf anderen Milizionäre, wenig genug, bildeten einen
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