Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
und küssten sich, rangen oben nach Luft und tauchten erneut in diese andere Welt ein. Er presste seine Arme fest um Marocias Taille und ergab sich gleichzeitig der sanften Kraft ihrer Hände, die seinen Körper rieben.
Der Mond stand schon über ihnen, als sie erschöpft Seite an Seite trieben. Hugo vertiefte seinen Blick in sie, in der sicheren Beruhigung, dass sich in den Monaten ihrer Trennung nichts zwischen ihnen verändert hatte. Doch dann senkte sie die Augen.
»Was hast du?«, fragte er stirnrunzelnd.
»Gar nichts. Ich . . . ich bin nur müde.«
»Wenn es weiter nichts ist: Ich habe zwei Überraschungen, die dich wieder munter machen«, versprach er und schwamm mit zwei, drei kräftigen Zügen zur anderen Seite des Bassins. Dort griff er in einen Beutel und kam mit einer Krone als Trophäe zurück. »Ich bin jetzt ein Doppelkönig, und du bist meine Doppelkönigin.«
Hugo war am 15. Oktober 928 in der Kathedrale von Arles mit gewaltigem Pomp zum König von Niederburgund gekrönt worden. Die Gästeliste hatte im Nachhinein für einige Unstimmigkeiten gesorgt, weil Hugo zwar Guido eingeladen hatte, nicht aber beider Mutter Bertrada. Daraufhin zog auch Hugos Halbbruder seine bereits zugesagte Teilnahme an dem Ereignis zurück, was wiederum eine zornige Rüge Hugos nach sich zog und so weiter. Das Verhältnis der beiden Brüder war jedenfalls schlechter denn je, und Marocia wünschte sich eigentlich, dieses ganze niederburgundische Königreich samt Krone würde vom Erdboden verschluckt. Doch sie wusste, was es Hugo bedeutete, daher nahm sie das goldene Ding von ihm entgegen, setzte sich das im Vergleich zur italienischen Krone schwere Stück auf die nassen Haare und schwamm unter Hugos amüsiertem Gelächter eine Runde durch das Wasser.
»Sie ist so riesig und mächtig«, meinte Marocia. »Damit sehe ich bestimmt aus wie eine Königinmutter.«
»Du siehst keinen Tag älter aus als dreißig, Geliebte.«
»Ist dieses Kompliment die zweite Überraschung?«
Noch einmal küsste er sie lange und leidenschaftlich, bevor er sich aus dem Bassin stemmte und ein Handtuch um die Hüften wickelte, das gerade das Nötigste verdeckte. Er klatschte zweimal kräftig in die Hände und rief damit niemand anderen herbei als – Desiderius.
Marocia machte ein summendes Geräusch, als habe sie gerade eine delikate Süßspeise gekostet. »Desiderius! Wie nett! Mit deiner Allgegenwart machst du sogar unserem Herrn Konkurrenz.« Sie begann, wie eine Nymphe umherzuschwimmen; in dem milchigen Wasser sah man nichts als Kopf und Schultern, und selbst wenn es mehr gewesen wäre – Desiderius interessierte sich
dafür
zuletzt. »Was für eine Überraschung wird das, Liebster?«, rief sie Hugo zu. »Soll ich mir aus seiner kostbaren Kutte eine passende Stola für die Krone nähen?«
»Daran hatte ich anfangs auch gedacht«, erwiderte Hugo lächelnd. »Aber dann hat Desiderius mir einen viel besseren Vorschlag unterbreitet.«
»Ja«, stieß sie hervor. »Den hat er immer im Gepäck. Was hat er dir geboten? Die Heiligsprechung?«
»Rate noch mal.«
»Die Auferstehung nach drei Tagen.«
»Nahe dran. Den Kaisertitel.«
»Den . . .?« Sie hielt inne, suchte zuerst Boden unter den Füßen, dann die zufriedenen Augen des Kardinals, anschließend die ihres Gemahls. »Um Himmels willen, Hugo, wie kann er dir denn so etwas versprechen?«
Um Kaiser zu werden, wusste Marocia, benötigte man einerseits einen Papst, der die Krönung vollzog – was sicherlich das geringere Problem war –, sowie andererseits die Einwilligung des byzantinischen Kaisers, denn er war nun einmal der einzig anerkannte Nachfolger des antiken römischen Kaisertitels.
Hugo ging am Beckenrand in die Hocke und wartete, bis Marocia zu ihm geschwommen war. »Sieh mal, wenn wir Desiderius zum Papst machen – nein, lass mich bitte ausreden –, wird er dafür als Gegenleistung mit dem Kaiser in Verhandlungen treten. Wir beide wissen, dass Desiderius bei den Byzantinern einen großen Stein im Brett hat, Kontakte, Verbindlichkeiten, Gefallen, die er einfordern kann. Außerdem ist es schon einmal jemandem gelungen, die Einwilligung zu erhalten, nämlich Karl dem Großen.«
Was für ein Vergleich! Karl der Große hatte damals die Kontrolle über ein mächtiges Reich, das sich von den Pyrenäen bis Dänemark erstreckte, von Bayeux bis Rom. Vor allem aber hatte er es im Byzanz des Jahres 800 mit einer Frau zu tun, Kaiserin Irene, die sogar an eine Hochzeit mit dem
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