Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Miststück bist, eine miese Hure, darum. Du hast unsere Liebe verraten.«
Marocia schüttelte betroffen den Kopf. Es hatte keinen Sinn, mit Johannes vernünftig zu reden. In seinem Kopf existierte offenbar eine Welt, die mit der wirklichen nicht zusammenpasste. Es mochte sogar sein, dass er daran unschuldig war, dass Ageltrudis ihn zu dem gemacht hatte, was er war, aber Marocia war zu müde, genauer darüber nachzudenken. Die letzte Nacht, aber weit mehr noch die vielen Jahre seit ihrer Kindheit, in denen Johannes immerzu in ihr Leben eingedrungen war und darin gewütet hatte, machten sie fast gleichgültig gegenüber seinem Schicksal.
»Einen Papst verhaften und hinrichten!«, warf er ihr vor. »Das wird die Christenheit dir nie verzeihen.«
»Die Kurie wird meine Entscheidung absegnen, keine Sorge.«
»Man wird dich verfluchen und verachten, wie deine Mutter, die andere Hure. Die Geschichtsschreiber werden . . .«
»Das lass nur meine Sorge sein.«
Er stand auf und sah sie zornig an. Seine Hände krallten sich ineinander. »Ich habe sie getötet. Eigenhändig habe ich deiner Mutter die Luft zum Leben abgedrückt, und ich würde es wieder tun. Sie hat es verdient.
Du
hättest es ebenfalls verdient. Ihr Weiber seid grausam und herrschsüchtig, ihr spielt mit den Männern, martert sie . . .« Er zitterte am ganzen Körper und schlug die Hände vor das faltenverzerrte Gesicht. Tränen tropften sein Kinn hinunter. So verharrte er eine Weile, dann ließ er die Arme wieder sinken und war so gefasst wie zu Anfang des Gesprächs.
»Kann ich bitte Desiderius sprechen?«
Marocia schüttelte den Kopf. »Ich bezweifle, dass er dich sehen will.«
»Er ist mein Vertrauter, mein Diener.«
»Dieser Freund und Diener war es, der dich verraten hat.«
Johannes riss kurz die Augen auf, bevor sie dumpf und müde wurden. Er begann leise zu lachen, es klang bitter und zynisch. »Weißt du, dass es Desiderius war, der mich erst auf die Idee zu dieser Verschwörung gebracht hat?«
Das war der letzte Mosaikstein, der Marocia noch gefehlt hatte. Offenbar wollte Desiderius Johannes aus dem Weg haben. Aber wozu? Welchen Nutzen konnte er schon davon haben? Sie würde ihn niemals zum Papst machen, das musste er doch wissen. Die Absichten des Kardinals waren so verschlungen und modrig wie ein Sumpfwald. Zunächst galt es jetzt, mit Johannes abzurechnen.
»Bevor ich gehe«, sagte Marocia mit tiefer, gedehnter Stimme, »muss ich noch mein Gewissen erleichtern und dir aushändigen, was du mir einmal geliehen hast.«
»Ich habe dir nie etwas geliehen.«
Sie holte den Flakon hervor und warf ihn Johannes zu. »Erinnerst du dich? Der Schneesturm, die Kutsche . . .
Cicuta
virosa
. Der Wasserschierling. Ich habe das Gefäß mehr als zweiundzwanzig Jahre wie einen Schatz aufbewahrt. Und heute endlich erfüllt es seine Bestimmung.«
Johannes verzog angeekelt das Gesicht »Du irrst, wenn du glaubst, ich werde das Teufelszeug benutzen. Es wirkt sehr langsam,
zu
langsam – ein furchtbarer, qualvoller Tod.«
Sie stellte sich dicht vor Johannes auf und neigte ihren Kopf wie ein Spatz zur Seite. »Armer Johannes«, säuselte sie. »Wie soll ich dir nur klarmachen, dass du dieses Gift gar nicht mehr nehmen musst, weil du es schon längst genommen hast? Sieh doch hin, der Flakon ist leer.« Ihr Blick schweifte zwischen seinen Augen, dem Flakon und dem am Boden stehenden Becher mit dem Falerner hin und her.
In dem Moment, als seine Pupillen sich weiteten, als sähe er den Leibhaftigen vor sich, wandte sie sich um und ging behände zur Zellentür. Schwer und laut fiel sie hinter ihr ins Schloss. Nur einen Lidschlag später tauchte Johannes’ verzerrtes Gesicht vor dem kleinen vergitterten Fenster der Tür auf. »Nein«, flehte er. »Nicht auf diese Weise, Marocia. Gib mir einen Dolch . . . schick den Henker, aber nicht dieser Tod. Die Qualen . . . es wird Tage dauern. Bitte.«
Kein Muskel an ihr bewegte sich.
»Nein«, sagte sie.
Tränen rannen seine Wangen hinunter, so wie ihre Tränen nach der Frühgeburt ihres ersten Kindes und in den Nächten nach Sergius’ und Damianes Tod gelaufen und erst nach Stunden getrocknet waren. Jeder Schmerz, den dieser Mann und seine Befehlsempfänger ihr zugefügt, jeder Mord, den er begangen hatte, war nun gerächt, da seine Hände sich um die Gitterstäbe krallten und sein Gesicht in der Erwartung einer entsetzlichen Marter zitterte.
Oh, er würde nicht an Gift sterben. Sie hatte den Inhalt des Flakons von
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