Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
nachdem er hineingegangen war. Marocia lag leicht bekleidet auf dem Bett und schlief. Sie sah schön aus mit ihren langen Haaren, die wie ein schwarzer Stern auf dem weißen Brokatbezug leuchteten. Hugo zog sich aus, und zwischendurch vergewisserte er sich durch einen Blick zur Tür davon, dass Alberic zusah. Dann bestieg er das Bett. Langsam ließ er sich neben Marocia nieder, streichelte sie, weckte sie mit einem fordernden Kuss auf. Im Halbschlaf erkannte sie ihn und schlang ihre Arme um seinen Körper. Sie flüsterte etwas wie »Schon zurück?«, doch er ging nicht darauf ein.
»Ich will es machen wie in Ravenna«, sagte er so laut, dass es den ganzen Raum ausfüllte. »Damals, bevor du mit deinem Gemahl auf den Feldzug gegen Rom gegangen bist.«
Marocia lachte. »Du überraschst mich immer wieder, Liebster. Aber muss es unbedingt jetzt sein?«
»Ich befehle es«, knurrte er und warf einen boshaften Blick zur Tür.
Alberic hätte wegrennen können, die Augen schließen oder die Ohren zuhalten. Aber er tat nichts davon. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf das, was im Gemach nun vor sich ging. Bis zuletzt blieb er im Halbdunkel stehen, reglos und stumm. Erst ganz zum Schluss durchzuckte ihn der Schmerz, und Tränen rannen über das Gesicht, das doch sonst immer wie aus Wachs geschnitzt schien.
Das Echo auf den Vorfall mit Cicero und dem Falken war für Marocia verwirrend. Während Odo von Cluny schwere Vorwürfe gegen Hugo erhob, behauptete dieser, Alberic nur eine Abreibung wegen seines vorlauten Benehmens erteilt zu haben. Alda und Lothar drucksten seltsam herum, Eudoxia wollte gar überhaupt nichts gesehen haben, und der Einzige, der dieses Chaos hätte entflechten können, Alberic, schwieg beharrlich. Obwohl sie selbst nicht dabei gewesen war, strafte Alberic nun vor allem sie mit grimmiger Nichtachtung, die sich nach der Abreise des Abtes von Cluny und ihrer Weigerung, Alberic an den toskanischen Hof zu seinem Onkel Guido zu schicken, zu regelrechter Abneigung steigerte.
»Ehe ich nicht weiß, was hier eigentlich vorgeht, gehst du nirgendwohin«, teilte sie ihm mit.
»Das hat er Euch befohlen!«
»Es ist meine Entscheidung, verdammt, und du wirst dich damit abfinden.«
»Ihr redet schon wie dieses Scheusal«, sagte Alberic und ging trotz Marocias Ermahnungen störrisch aus dem Raum.
Sie gestand es sich nicht gerne ein, aber innerlich war sie froh, als Hugo Pavia für kurze Zeit verließ, um sich zu einem Treffen mit dem ostfränkischen König Heinrich I. im schwäbischen Kloster Disentis einzufinden. Die Unstimmigkeiten zwischen den beiden Herrschern häuften sich. So gefiel es Hugo nicht, dass Heinrich noch immer dem früheren Markgrafen von Friaul, Berengar von Ivrea, Exil bot, statt ihn auszuliefern, und Heinrich wiederum passte es nicht, dass Hugo Vorbereitungen unternahm, sein Krongebiet auf Hochburgund auszudehnen. Diese politischen Fragen jedoch waren Marocia egal. Sie hoffte einfach, dass Alberic sich während Hugos Abwesenheit wieder einigermaßen fing.
Tatsächlich jedoch zog Alberic sich mehr und mehr in sich selbst zurück. Weder Alda noch eines der anderen Geschwister oder Marocia lockten irgendeine sichtbare Gemütsbewegung aus ihm hervor. Die meiste Zeit kümmerte er sich um den blinden Cicero. Sein einst so lebensfroher Freund wirkte nun alt und verletzlich. Ab und an unternahm er Spaziergänge mit ihm, aber immer, wenn von irgendwo ein Raubvogel seinen Schrei über die lombardische Natur schickte, legte Cicero sich auf den Boden, winselte und zitterte.
»Armer Cicero«, tröstete Alberic ihn in solchen Momenten und streichelte unaufhörlich sein Fell. »Ich kann dich gut verstehen. Mir geht es ähnlich. Nur dass ich mich noch wehren kann.«
Schon kurz nach Hugos Abreise wurde Marocia häufig übel und schwindelig, und fast immer war sie müde. Sie schob es auf ihre über vierzig Jahre, die anstrengenden Reisen und das heiße Wetter. Daher verbrachte sie viel Zeit damit, der sechsjährigen Alazais aus einem dicken Buch keltische Sagen vorzulesen, oder sie sah Eudoxia bei deren geliebter Handarbeit zu. Doch Hugo war noch keine zehn Tage weg, da sah sie ihn auch schon wieder in den Palasthof einreiten, eigentlich viel zu früh. Sie ging ihm sofort in den Hof entgegen.
»Weißt du, wie er mich genannt hat?«, rief er ohne ein Begrüßungswort.
»Wer?«
»Heinrich natürlich, der alte Sack. Er hat gesagt, ich sei ein gieriger und feiger Erbschleicher, eine Maschine aus
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