Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Grund, gleich den Rosenkranz zu beten. Ich weiß, dass ich mit meinen einundvierzig Jahren nicht mehr die Jüngste bin, meine Liebe, aber damit werde ich schon noch fertig. Ich hoffe, dass es diesmal ein Junge wird, vor allem, weil Hugo sich so sehr einen Sohn von mir wünscht. Er weiß noch nichts von allem.«
Blanca stockte der Atem. Sie schien keinen einzigen Tropfen Feuchtigkeit mehr in ihrem Mund zu haben, als sie heiser antwortete: »Wie soll ich dir nach dieser Nachricht noch mitteilen, weshalb ich eigentlich hierher gekommen bin?«
Nun setzte auch Marocia sich. Sie ahnte schon ein Unglück, aber was Blanca ihr da erzählte, übertraf alle Befürchtungen. Es klang so unglaublich . . .»Es verhält sich leider so, meine liebe Schwester, dass Hugo . . . Er hat . . . Mein Gott, er plant eine neue Heirat. Er möchte die Witwe Rudolphs von Hochburgund zur Frau nehmen, Bertha. Diese Bedingung hat der dortige Kronrat gestellt.«
Blanca hätte sich ebenso gut auf der Stelle aus dem Fenster stürzen können, Marocias Züge hätten nicht entsetzter ausgesehen. Jede Farbe wich aus ihrem Gesicht, bis es an eine der Schnitzereien aus dem Elfenbein erinnerte, mit dem Kaufleute aus Afrika und dem Orient bisweilen handelten. Ihre Augen weiteten sich ins Groteske, und nur ihre Hand verdeckte die weite Höhlung des Mundes.
»Es tut mir Leid«, fügte Blanca aufrichtig hinzu. »Ich verstehe nicht, wie diese Nachricht dir so lange verborgen bleiben konnte. Vermutlich hat Hugo selbst dafür gesorgt. Ich selbst habe es auch nur von einem fahrenden Mönch erfahren.«
Marocia schluckte. »Wie soll das vonstatten gehen?«
Blanca sah auf ihre gefalteten Hände. »Zu dieser Stunde tritt ein Konzil aus fünf Bistümern in Aix zusammen und beschließt die Annullierung deiner Ehe. Es besteht wohl kein Zweifel, dass die verängstigten Prälaten dem stattgeben werden, und Vorwände für die Auflösung einer Ehe finden sich immer, wenn man nur ausgiebig nach ihnen sucht. Wenige Tage später soll die Hochzeit mit Bertha zelebriert werden. Man spricht von der Kathedrale in Besançon als Trauungsort und . . .«
Blancas Mund bewegte sich fort und fort, aber ihre Stimme erreichte Marocia kaum noch. Das Leben hatte ihr viele geliebte oder vertraute Menschen genommen: Egidia, Pater Bernard, Sergius, Leon, Damiane . . . Aber sie alle waren unfreiwillig gegangen, waren ihr fortgerissen worden. Der Schmerz, der sie jetzt befiel, übertraf alle vorherigen, denn zum ersten Mal verlor sie einen geliebten Menschen, weil er
sie
verlieren wollte. Und warum? Wegen eines toten Stück Landes, wegen brauner Erde, wegen Brücken, Straßen, Städten und Steuern und wegen eines irrlichternden Traumes – den sie selbst einmal geträumt hatte.
Wie ein Dolch bohrte der Schmerz sich in ihre Brust und ihren Unterleib, doch er verletzte sie nicht nur, er stachelte sie gleichzeitig auf. Zorn und Abscheu mischten sich hinein.
»Wenn er Krieg will«, unterbrach sie Blanca, »dann kann er ihn haben.«
Im Oktober 931, eine Woche nach seiner Hochzeit, erhielt Marocia die ersten Zeilen ihres früheren Gemahls. In diesem knappen Brief versuchte er ihr nichts zu erklären, sondern bat sie lediglich um ein Treffen in Pavia. Sie lehnte ab, und zwei weitere Wochen später stand er mit zahlreichem Gefolge vor Rom und bat in aller Förmlichkeit um Einlass in die Ewige Stadt.
Marocia ließ sich mit der Antwort ein paar Stunden Zeit, aber sie hatte nicht vor, Hugo den Einlass zu verweigern. Es wäre eine zu billige Geste gewesen. Dieser lächerliche Mars sollte sehen, dass sie nicht litt wie alle die anderen Frauen, die er in seinem Leben bereits verlassen und unglücklich gemacht hatte. Sie würde keine Tränen vergießen, keine Wunden lecken.
»So sieht man sich wieder«, waren seine ersten, tonlosen Worte, als er zwischen den Bögen ihres
peristyl
s hervortrat. Die herbstliche Milde, der Garten, die Stille: Das alles, dachte sie, hätte eine bessere Kulisse für den Beginn einer großen Liebe abgegeben, statt für deren abschließendes Fanal.
Hugo wollte sie auf die Wange küssen, aber sie verweigerte ihm jede Berührung. »Herzlichen Glückwunsch«, sagte sie eisig. »Deine vierte Ehe, nicht wahr? Nach kanonischem Recht ein Sakrileg. Du bist wirklich auf dem besten Wege, dir einen Ehrenplatz ganz dicht am Satan zu sichern.«
Sein Gesicht zuckte. »Du kennst doch mein Motto, Marocia. Lieber die Hölle regieren als dem Himmel dienen. Apropos Sakrilege, da würde ich an
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