Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
betonend, schrie er: »Du wirst mir nicht nehmen, was mir gehört!«
Er vergaß alles in diesem Augenblick, das Kind und die einstige Liebe; jede Hemmung in ihm war erloschen. Er wollte nur noch das eine, die Macht – die Macht über das Geschöpf in seinen Händen, über Rom, über alles. Vergeblich schlug sie ihm ins Gesicht, sie konnte sich seinem starken Griff nicht entwinden. Er drückte sie gegen eine der Säulen des
peristyl
s, schüttelte sie weiter und weiter, bis ihr Kopf gegen den blanken Stein schlug und ihr Körper niedersank.
Schwer atmend, bebend, fassungslos und doch auch zufrieden, blickte er auf die regungslose Gestalt zu seinen Füßen. Er fuhr sich mit seinem Ärmel über den Mund. Jetzt gab es kein Zurück mehr, das Drama musste zu Ende gespielt werden.
Hugo zögerte keinen Augenblick, diese ungeplante Situation auszunutzen, um die Kontrolle über Rom zu erringen. Marocia hatte es versäumt, der wehrhaften Stadtmiliz eindeutige Befehle bezüglich Hugos Gefolge zu erteilen; die Tore waren geöffnet. Niemand hatte mit einem Angriff der königlichen Gefolgsleute gerechnet, die ja vor wenigen Wochen noch Kameraden gewesen waren. Dieser Vakanz bediente sich der König jetzt, holte seine Soldaten in die Stadt, besetzte mit ihnen die wichtigsten Plätze und Gebäude, und bevor die Stadtmiliz begriff, was im Gange war, hielt er bereits drei Viertel Roms sowie den Lateran und die Villa auf der Isola. Jeder Widerstand wäre von diesem Zeitpunkt ab zwecklos geworden. Papst Stephan VII., von Hugos Soldaten umringt, unterband deshalb auch sofort Ansätze des Aufruhrs unter den römischen Bürgern. In einer eilig niedergeschriebenen und überall verlesenen Erklärung bezeichnete er die Eindringlinge als »willkommene Gäste«.
Als Marocia am späten Abend aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachte, bemerkte sie, dass ihre Diener ausgewechselt worden waren und einer von Hugos Offizieren neben der Tür stand. Binnen Sekunden begriff sie, was geschehen war. In ihrem Kopf pochte ein Schmerz und zog ihren ganzen Nacken hinab, aber sie weigerte sich, liegen zu bleiben, nachdem sie festgestellt hatte, dass dem Kind in ihr nichts geschehen war.
»Wo sind meine Kinder?«, fragte sie den Offizier.
Er zog ein arrogantes Gesicht. »Ihnen geschieht nichts.«
»Ich möchte sofort zum König gebracht werden.«
»Wenn es Euch besser geht.«
»Wenn es Euch besser geht,
edle Senatrix
, heißt es korrekt«, entgegnete sie in festem Ton und richtete sich trotz des heftigen Schwindelgefühls vollends auf. »Und es geht mir schon jetzt besser.«
Der Offizier nickte widerstrebend. Dann gab er den Dienern ein Zeichen, dass sie die Senatrix umkleiden sollten. Marocia fühlte sich hundeelend, aber sie ließ sich die beste Robe aus dunkelgrünem Samt anlegen, die sich so herrlich ihrem noch immer straffen Körper anpasste. Mehr denn je sah sie mit ihrem schwarzen, kunstvoll gesteckten Haar wie eine Kleopatra aus.
»Was für eine Überraschung!«, rief Hugo, als Marocia wie eine Gefangene vor ihn in den Lateran gebracht wurde. »Die Herrin der Päpste ist also wieder wohlauf.«
Sie parierte, so dass alle Anwesenden, also Wachen, Diakone und einige Adelige, es hören konnten. »Du könntest mich eine Stunde lang schlagen und würgen, du Held, und ich läge noch immer nicht tot zu deinen Füßen. Falls du es noch nicht weißt: Ich werde hundert Jahre alt, schon allein deshalb, um mein Versprechen wahrzumachen und auf deinem Grab zu tanzen.«
Er ging auf sie zu und nahm ihren Kopf wie einen Apfel in die Hand. »Wie schaffst du es nur, mich stets aufs Neue zu reizen, Geliebte?«
»Indem ich dir immer und immer wieder die Stirn biete, mein lieber Hugo. Nichts erregt dich nämlich mehr als der Kampf gegen eine Frau, selbst wenn du ihn am Ende nur dank deiner Muskeln gewinnen kannst. Wie oft hast du auf diese Weise schon versucht, so deine Mutter zu besiegen, die es gewagt hat, mutiger als dein Vater zu sein, stärker als ein Mann? Glaubst du das tausendfach rächen zu müssen, um andere Frauen von Nachahmung abzuhalten? Aber du irrst dich, Hugo. Du wirst es sein, der an diesem Kampf zerbricht, nicht Menschen wie deine Mutter und ich.«
An seinen mahlenden Kiefern erkannte Marocia, dass sie Hugo getroffen hatte. »Deine Zeit ist um, Marocia, unser Kampf vorbei.«
»Er ist erst dann vorbei, wenn ein Chor das Requiem für einen von uns singt, nicht eher. Dich am Boden zu sehen«, sagte sie ruhig und fest, »wird der einzige Zweck sein,
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