Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
und wiegte ihn leicht. »Jetzt wird alles wieder gut«, tröstete sie ihren einjährigen Sohn und meinte es auch so. Denn nun war die Welt wieder zurechtgerückt. Sie würde einen neuen Anfang machen und Rom zusammen mit Alberic und Clemens regieren.
Alberics Lächeln schwand, als er Crescentius erblickte. Er hatte seltsamerweise gar nicht mehr daran gedacht, dass seine Mutter ein weiteres Kind geboren hatte: Hugos Sohn. Augenblicklich wandte er sich ab.
»Was ist?«, fragte Marocia ihn.
Er achtete nicht auf ihre Worte, ging zum Fenster und blickte in die kalte schwarze Nacht. Das Licht der Kerze in seiner Hand fiel ihm von unten ins Gesicht und gab seinem Aussehen etwas Dämonisches und Trauriges zugleich.
»Du hast mir noch nicht alles erzählt, nicht wahr?«, fragte Marocia argwöhnisch. »Da ist noch etwas. Was ist es?«
Er schwieg weiter.
Düstere Ahnungen überschwemmten sie. »Es ist . . . doch nicht etwa . . . etwas mit Clemens geschehen . . . oder?«
Endlich wandte Alberic sich um. »Ihr könnt beruhigt sein, Mutter«, antwortete er schneidend. »Eurem allerliebsten Erstling ist nichts geschehen. Ich habe ihn lediglich im Lateran unter Arrest gestellt.«
Drei tiefe Falten zeigten sich auf Marocias Stirn. »Das dürfte kaum nötig sein, findest du nicht?«
»Das habt Ihr nicht zu entscheiden, Mutter.«
Sie näherte sich Alberic mit Crescentius auf dem Arm. »Was soll das heißen?«
»Haltet diesen Bastard von mir fern«, forderte er mit abwehrenden Händen. »Ich habe ein für allemal genug von meinen Halbbrüdern.«
»Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr!«, rief sie empört und verwirrt über den völlig verwandelten Verlauf und den Ton des Gespräches.
Alberic wandte sich wieder der Nacht zu. »Ich habe entschieden, die Macht nicht wieder an Euch abzugeben, Mutter. Ich werde von nun an die Führung der heiligen und Ewigen Stadt übernehmen, und Ihr bleibt hier.«
Marocias Antlitz wandelte sich abrupt. Sie musste sich auf ihr Bett setzen. Fast abwesend platzierte sie den immer noch quengelnden Crescentius neben sich und blickte zu dem flackernden Licht am anderen Ende des Raumes. Jetzt erst bemerkte sie die ausgesprochen edle Garderobe, die Alberic trug, das purpurne Gewand, den weißen Umhang und die gleichfarbigen Spitzschuhe. Er war gekleidet wie ein Fürst, wie ein Regent.
»Natürlich wird Euer Wohnbereich erweitert«, fügte er mildernd hinzu. »Die ganze Engelsburg steht Euch ab heute zur Verfügung, und jeder Eurer Wünsche wird erfüllt werden: Bücher, Möbel, Kleider, Diener. Nur den Schmuck muss ich Euch leider vorenthalten. Aber Ihr dürft einzelne Gäste empfangen. Auch Euren Titel als Senatrix behaltet Ihr selbstverständlich«, schloss er die Aufzählung seiner Wohltaten.
Das alles jedoch bedeutete Marocia im Moment gar nichts. »Sag mir lieber«, begann sie unsicher, »was ich verbrochen habe, dass du mir so etwas antust?«
Noch immer verweigerte Alberic ihr den Blickkontakt und starrte unbeirrt zum Fenster hinaus. Seine Stimme war ein einziger Vorwurf, als er antwortete: »Dass Ihr diesen Mann . . . dass Ihr Hugo geheiratet habt, kurz nachdem Vater gestorben war, das hat der ehrwürdige Abt Odo mich verzeihen gelehrt. Aber dass Ihr«– er presste die Worte förmlich aus seinem Innern –»dass Ihr ihn bereits geliebt habt, bevor Vater . . .« Er stockte, schluckte, rieb sich die Augen.
Marocia atmete schwer, ihr Blick zuckte durch den dunklen Raum. »Ich habe dir doch schon einmal gesagt, dass ich nicht . . .«
»Nein!«, schrie Alberic und ging auf sie zu wie ein wilder Stier. Sein Gesicht bebte, und Tränen sammelten sich in seinen Augen. »Ich habe Euch schon als Kind lügen und betrügen sehen, und Ihr habt Euch bis heute nicht geändert.«
»Aber wenn ich dir doch sage . . .«
»Lügen, alles Lügen. An dem Tag der Falkenjagd . . .«, schluchzte er. »Hugo. Er hat es mir gezeigt. Ich war dabei, als ihr beide in eurem Gemach . . . habe alles gesehen . . . Euch gehört, wie Ihr von Ravenna erzählt habt . . .«
Marocia ließ ihr Gesicht in die Hände fallen. »Mein Gott . . .«, stammelte sie. »Dieses Monster hat dich also zuhören lassen? Alberic, es tut mir so Leid. Ich wollte damals nicht die Wahrheit sagen, weil . . .«
Alberic hielt sich die Ohren zu. »Nein, nein!«, schrie er. »Kein Wort mehr!« Er rannte, ja stolperte zur Türe und verschwand durch den offenen Spalt. Marocia lief hinter ihm her, aber als sie an der Tür angekommen war, tauchte dort
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