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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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»Wahrscheinlich möchtest du, dass ich dir einige Neuigkeiten aus Rom berichte?«
    »Das ist zum Glück nicht nötig«, antwortete Marocia und bot der Äbtissin Platz an. »Alberic schickt einmal im Monat einen Berichterstatter zu mir, der mich sehr höflich auf dem Laufenden hält, und was er mir verschweigt, erfahre ich von den Dienern und Soldaten, die wesentlich gesprächiger sind als ihre Vorgänger. Die meisten sind Römer und deshalb nett zu mir. Wahrscheinlich weiß ich daher mehr als du.«
    »Das kann gut sein. Ich habe nur gehört, dass Alberic sich einen neuen Titel hat geben lassen, den eines . . . eines . . .«
    Marocia nickte. »
Prinzeps
. Erster der Republik. Der erste römische Kaiser Augustus hat diese Wortkreation benutzt, um den Menschen den Übergang zur Monarchie zu erleichtern – oder zu verschleiern. Wie auch immer: Alberic hat vor einigen Jahren seine Vorliebe für die Antike entdeckt und glaubt nun, sie zum Leben erwecken zu können, indem er ihr Vokabular benutzt.«
    Der Anflug von Bitterkeit und Ironie in diesen Worten blieb Blanca nicht verborgen. Sie sah sich um. Nirgendwo waren Wachen zu entdecken, kaum eine Tür war verschlossen, und eine ganze Schar von Dienern und Dienerinnen sorgte für eine reibungslose Betreuung. Gelbe Blumen blühten in rundlichen Amphoren, Vögel und Bienen schwirrten umher, und in der Luft lag der seltsam einhüllende Geruch, den nur warme Steine erzeugen können. Sie selbst, seit ihrer frühesten Kindheit eine Klosterfrau, würde an einem Ort wie diesem kaum eine Bedrückung empfinden, Marocia jedoch, die die Abwechslung liebte, litt unter der Gefangenschaft – und darunter, wer ihre beiden Verursacher waren.
    »Dann vermute ich, dass es bei deiner Bitte darum geht, Alazais bei dir zu lassen.«
    Marocia schüttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Ich möchte, dass du Crescentius zu dir nimmst. Hier kann ich ihn unmöglich aufwachsen lassen.«
    »Ist das der wahre Grund deiner Bitte?«
    »Frag nicht weiter.«
    »Hast du dir das gut überlegt?«
    Marocia spürte einen dicken Kloß im Hals, als sie nickte.
    »Gut«, meinte Blanca und atmete tief durch. »Das macht mir meine Entscheidung noch leichter.«
    »Wovon sprichst du?«
    Blanca entfernte mit einigen gezielten Bewegungen die Nadeln aus ihrem Schleier, dann streifte sie diesen ab und legte ihn auf den Schoß. Zum ersten Mal sah Marocia die braunen Haare ihrer Halbschwester. Sie waren natürlich kurz geschnitten und standen nach allen Richtungen ab, was Blanca ein schelmisches Aussehen verlieh, aber mit ein wenig Fantasie erkannte man dennoch das Erbe von Johannes’ eitler Haarpracht darin. »Ich habe mir meine Entscheidung nicht leicht gemacht, aber . . . Ich verlasse den Orden und ziehe nach Rom. So können ich und deine Kinder immer in deiner Nähe sein. Und versuche nicht, mir das auszureden, liebe Schwester, denn ich kann mindestens so stur sein wie du. Das liegt in der Familie.«
    Marocia konnte vor Rührung nicht sprechen, aber die Hände, die sich um die von Blanca legten, sagten alles.
    »Für jeden Menschen, der geht, Marocia, kommt ein anderer. Man muss nur aufmerksam genug Ausschau nach ihm halten.«

    Marocia beschäftigte sich nicht mit Fluchtplänen. Alberic würde sie nur noch zwei oder drei Jahre hinter Schloss und Riegel halten, glaubte sie und fühlte sich stark genug, diese Zeit zu ertragen. Und überhaupt, wohin hätte sie fliehen sollen? Rom war ihr Zuhause, und die Engelsburg stand in Rom. Selbst
wenn
sie eine Alternative gesehen hätte: War sie fähig, gegen eines ihrer Kinder zu kämpfen? Sie wusste es nicht, und sie hatte Angst davor, diese Frage eines Tages vielleicht beantworten zu müssen. Aber die Zeit zog sich wie zäher Honig dahin, ohne dass Alberic sie freiließ oder sich wenigstens blicken ließ.
    Auch wenn Blanca sich große Mühe gab und jede Woche dreimal in die Engelsburg kam, schienen die Tage Marocia länger zu werden, die Monate unendlich. Bald hatte sie jedes wichtige Buch gelesen, jeden Aspekt der Geschichtsschreibung gelernt, jeden Winkel der Engelsburg erforscht. Da sie unbedingt eine geistige Beschäftigung brauchte, begann sie mit der Niederschrift ihrer Lebensgeschichte. Diese Arbeit ließ sie jeden Tag in eine andere Gemütslage verfallen. Je nach dem Kapitel, an dem sie schrieb, stimmte es sie melancholisch, aufgeregt, zärtlich oder wütend, und gerade diese wechselnden Stimmungen machten ihr die Jahre ein wenig leichter.
    Im Juni 935, im vierten Jahr ihrer

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