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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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das bärtige Gesicht einer Wache auf. Sie schloss die Augen und lehnte sich erschöpft gegen den kalten Stein der Mauerwand. Dann sank sie zu Boden, und gleichgültig hörte sie zu, wie Crescentius neuerlich zu schreien begann.

    In den kommenden Wochen verfluchte Marocia ihren früheren Gemahl mehr denn je. Längst war sie von ihm getrennt, geschieden von seinen Affären, seiner Machtgier und seinem jähzornigen Charakter, aber selbst jetzt, nachdem er verjagt und geächtet war, verfolgte Marocia der Schatten ihrer gemeinsamen Zeit. Die Freiheit, die Liebe ihrer Kinder, ein gutes Stück ihrer Selbstachtung, das alles war verloren. Doch den furchtbarsten Preis bezahlte sie erst jetzt, nachdem sie wusste, was Hugo ihrem Sohn Alberic angetan hatte: Sie konnte die Frucht dieses letzten Tages der Leidenschaft zwischen Hugo und ihr nicht mehr unbefangen lieben. Immer, wenn sie Crescentius ansah, erblickte sie den Verrat und die Tücke des Vaters.
    Und so fasste sie eines Abends, als sie müde war und den Kopf voller widerstreitender Gedanken hatte, einen Entschluss, der sie ebenso befreite wie verletzte. Sie schrieb einen Brief, und nur wenige Tage später begrüßte sie dessen Empfängerin an der Pforte der Engelsburg.
    Blanca sah aus, als hätte sie mehrere Nächte nicht geschlafen. Ihre sanften Gesichtszüge wirkten schwer von Sorgen, und ihre Augen leuchteten nicht länger zwischen den weißen Gesichtsbinden ihres Nonnenschleiers hervor, sondern lagen matt in tiefen Höhlen. Sie schien eine ganz andere Frau zu sein.
    Allerdings nur äußerlich, wie Marocia schnell feststellte. Blancas Umarmung war so herzlich wie immer, und sie hatte selbstverständlich auch daran gedacht, jenen Menschen mitzubringen, nach dem eine Mutter sich am meisten sehnt. Endlich, nach einem und einem halben Jahr, konnte Marocia wieder ihre kleine Alazais in die Arme schließen und den feinen Duft ihres Haares einatmen. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Marocia wieder einen Anflug von Glück.
    Sie gingen ins Innere der Engelsburg. Dort führte eine fensterlose, spiralförmig ansteigende Rampe in die Stockwerke mit den Gemächern und weiter zur runden Gartenplattform, auf der in der Antike einmal Zypressen gepflanzt waren, heute aber lediglich etwas Strauchwerk wuchs. Es war ein milder, klarer Märztag, und die Aussicht auf den Tiber und die dahinter liegende Basilika
Sancta Maria ad Martyres
, das frühere
Pantheon
der römischen Götter, war atemberaubend. Gleich daneben, an der großen Tiberschleife, entstanden derzeit die Kontore der fränkischen und angelsächsischen Kaufleute, Geldverleiher und Orienthändler, erste Vorboten der beginnenden Genesung Roms. Das mit ansehen zu dürfen war ein Trost für Marocia, denn es war die sichtbare Manifestation, dass sie in der Vergangenheit vieles richtig gemacht hatte. Hugo – und alles, was mit ihm zusammenhing – war vielleicht ihr einziger, aber dafür gewaltiger Fehler gewesen.
    »Wie geht es dir?«, fragte Blanca unumwunden, nachdem die achtjährige Alazais ihren Entdeckungsrundgang begonnen hatte.
    »Ich will mich nicht beklagen«, erwiderte Marocia. »Siehst du diese Stare auf dem Busch dort drüben? Im letzten Oktober habe ich sie nach dem Süden fliegen sehen, und gestern sind sie zurückgekommen. Das gibt ein beruhigendes Gefühl, weißt du. Früher habe ich den Jahreszeiten weniger Beachtung geschenkt.« Sie lachte. »In gewisser Weise sind wir nun beide Nonnen.«
    »Hast du wenigstens gelegentlich Gesellschaft?«
    Ein verächtlicher Seufzer entrang sich Marocia. Ja, es gab Scharen von adeligen Damen, die sich anboten, ihr »die Zeit zu vertreiben«, wie sie in Briefen schrieben. Doch in Wirklichkeit hatten sie wohl nichts anderes vor, als sich insgeheim am Unglück der Frau zu laben, die es gewagt hatte, das sonst so bescheidene weibliche Geschlecht in Verruf zu bringen.
    »Jeden Tag eine aufgeplusterte Römerin empfangen und zwei Stunden mit ihr plaudern: Ich gehe jede Wette ein, dass so die Hölle aussieht«, erklärte Marocia.
    »Ich weiß, Clemens steht noch unter Arrest, aber Eudoxia könnte doch . . .«
    Marocia schüttelte resigniert den Kopf. »Sie schreibt mir nichts sagende Briefe, und auch die nur widerwillig. Was soll man machen, sie ist nun einmal faul.«
    Blanca spürte, dass es besser war, nicht weiter nach dem Befinden ihrer Schwester zu forschen. »Du hast in deinem Brief von einer konkreten Bitte an mich gesprochen«, sagte sie, um eine helle Stimme bemüht.

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