Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Macht werden sich die Rücken der meisten Kardinäle und Landesfürsten vor Euch beugen, meine Liebe. Ihr werdet so viel Autorität über Päpste und Herzöge haben, dass Euch schwindlig davon wird. Na, gefällt Euch, was ich da verspreche? Aber macht Euch nichts vor, es wird Widerstand geben. Die Deutschen werden nicht immer so schwach sein wie derzeit und die Puppen nicht immer tanzen, wenn Ihr es befehlt. Ihr werdet geschickt sein müssen.«
»Und Ihr, Durchlaucht?«
Ageltrudis holte das weiße, blutbefleckte Tuch heraus und zeigte es Theodora. »Beantwortet das Eure Frage?«
Theodora nickte stumm.
»Leider«, erklärte Ageltrudis, »ist es keineswegs die erregende
Chorea
dort vorne, die mich immerzu keuchen lässt. Mein Sohn wird schon bald jemanden brauchen, auf den er sich unbedingt verlassen kann und der für ihn statt meiner die Geschicke in Rom lenkt. Er selbst ist politisch unbegabt. Aber ich muss«– ihre Hand krallte sich in den Oberarm Theodoras, und ihre Augen blickten mit einem Mal zornig –»ich muss wissen, dass er und das Imperium sich auf Rom verlassen können. Alle Deutschen waren schon immer die Erzfeinde meiner Familie, sie dürfen niemals die Oberhand über die Halbinsel gewinnen. Mein ganzes Leben habe ich dieser Aufgabe gewidmet. Und Ihr seid meine Nachfolgerin in diesem Kampf.«
Theodoras Mundwinkel zuckten. Leicht zitternd spielte sie an ihrer Perlenkette und sah in die geröteten Augen ihrer neuen Gönnerin. Ageltrudis hatte Recht. Ihr wurde jetzt schon schwindelig, wenn sie an die Möglichkeiten dachte, aber auch an die Risiken. Tausende Fäden musste sie in der Hand halten, und immer die richtigen ziehen. Wo anfangen? Wem vertrauen?
»Ich werde Geld brauchen«, sagte Theodora.
Ageltrudis nickte. »Das besprechen wir noch in Ruhe. Nur eines vorweg: Vertraut nicht allein den Münzen, es gibt wichtigere Verbündete. Zum Beispiel den erzbischöflichen Vater dieses Kindes«– sie tippte auf Theodoras runden Bauch –»und den Verehrer Eurer jungen Tochter. Beide könnt Ihr leicht von Euch abhängig machen.« Sie lachte. »In Wahrheit regieren wir Frauen diese Stadt, Theodora. Ich heute, morgen Ihr und übermorgen – nun, wer weiß, vielleicht Eure entzückende Marocia.«
4
Die ersten Sonnenstrahlen des Juni tauchten das
triclinium
der Villa Sirene, den großen Wohnraum, in ein orangefarbenes Licht und ließen Theophyl erwachen. Er lag quer und ungemütlich auf einer gepolsterten Ruhebank, und noch bevor er einen ersten Gedanken fassen konnte, spürte er auch schon den gleichen Kopfschmerz in sich hämmern, der seit einigen Wochen sein fester Begleiter geworden war. Schließlich bemerkte er auch die beiden anderen ungeliebten Erscheinungen seiner frühen Morgenstunden, die feuchte Haut und die trockene Kehle. Und das, obwohl er sich gestern Abend dazu gezwungen hatte, nicht einen einzigen Tropfen Wein zu trinken.
Als er sich aufrichtete, hallte sein Ächzen von den Wänden wider. Er rief laut nach Wasser und schlurfte ziellos durch die Räume. Im Atrium sah er sich in einem Spiegel, und für einen kurzen Moment erschrak er. Gehörte dieses Gesicht dem gleichen Mann, der er noch vor wenigen Wochen gewesen war, vor dem unseligen Aufstand und all seinen Folgen? War dieser ein wenig verwahrloste Bart der eines Edlen – oder eines Verbrechers? Dann aber sah er sich bereits wieder die Schultern zucken. Gleichmütig wandte er sich von seinem Spiegelbild ab.
Erneut rief er nach Wasser. Wo war diese Dienerschaft bloß? Nahmen sie etwa mittlerweile schon Reißaus vor ihm, mieden sie seine Launen, seine ungepflegte Erscheinung? Oder machten sie einfach nur das nach, was alle anderen Römer taten, seit der Geruch verwesender Leichen von der Via Appia aus über ganz Rom gezogen war: ihn ignorieren? Kein Dutzend Leute aus dem einfachen Volk war zu seiner öffentlichen Vereidigung als Senator erschienen. Dass er sich der maroden Märkte der Stadt annahm, dass er die Wasserleitungen renovieren und die Getreideversorgung reformieren ließ, schien niemanden zu beeindrucken. Noch nicht einmal die Armen wollten etwas von ihm annehmen und blieben von den öffentlichen Gastmählern fern, die er eigens für sie veranstaltete. »Schlächter«, nannten sie ihn. Die Schreckenstat der Hinrichtungen prangte ihm wie ein Kainsmal auf der Stirn.
Verdammt, das alles hatte die Diener nicht zu kümmern. Er rief erneut nach Wasser und versuchte, mit der flachen Hand gegen die Wand zu klatschen, doch im letzten
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