Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Lage dadurch ernst geworden war. Der König konnte nicht gleichzeitig nach Westen marschieren, um die Schlacht gegen die Deutschen zu schlagen, und nach Osten, um Berengar zu verjagen. Die einzig mögliche Lösung lag auf der Hand, und Hugo griff sie mit all seiner Erfahrung auch sofort auf. »Gut, dass Boso bald eintrifft. Er soll Berengars Aufstand niederschlagen. Ich selbst marschiere gegen Otto – und vernichte ihn. Teufel noch mal, der Schwachkopf wird mir nach seiner Niederlage wenigstens das Elsass abtreten müssen, wenn nicht halb Lothringen.«
Die Offiziere knurrten zufrieden und waren schnell wieder mit dem Schicksal versöhnt. Ihr König hatte bisher noch jeden Gegner geschlagen – mit Ausnahme dieser verräterischen Ratte in Rom, aber das war eine fast schon vergessene Geschichte.
Lothar meldete sich in diesem Augenblick zu Wort. Mit dünner, fast zerbrechlicher Stimme schlug er seinem Vater vor: »Ihr solltet mich zum Mitkönig erheben, Vater. Für den Fall, dass . . . Man kann ja nie wissen. Ich würde sofort nach Pavia reisen und vom dortigen Erzbischof die Salbung vollziehen lassen – vorausgesetzt, der Heilige Vater stimmt zu.«
Hugo zögerte einen Moment, und seine Offiziere sahen es. Er wollte nicht unsicher wirken oder gar ängstlich. Ein Mitkönig war ein potenzieller Rivale, aber Lothar war ein Schwächling, eben noch hatte er ihn als Eunuchen beschimpft. »Warum eigentlich nicht«, brummte er. »Du kannst ohnehin nichts anderes halten als ein Zepter.«
»Danke, Vater«, sagte Lothar artig und sah an den abfälligen Gesichtern der Offiziere vorbei. Eben wollten sie sich über eine Karte beugen und mit den Planungen beginnen, als der Bote sich räuspernd in Erinnerung brachte. Er kniete noch immer am Boden und war den Diskussionen, die in Langobardo-Latein geführt worden waren, mühsam gefolgt.
»Ach so, ja«, sagte Hugo und machte eine abwinkende Handbewegung. »Du kannst gehen.«
»Mais non, Euer Gnaden, da ist etwas noch.«
»Ja?«
»Ich dachte, die andere Nachricht Euch schon erreicht. Petit frère, Euer Gnaden, jüngerer Bruder von Euch, le Duc Boso . . .«
»Was ist mit ihm?«
»En soulèvement, Euer Gnaden . . . wie sagt der Italiener?«
Während der Bote noch nach der Übersetzung suchte, erstarrte Hugo. Seine Augen verengten sich, bis sie nur noch dünne Schlitze waren, und die Kieferknochen, die sich so häufig bewegten, verkrampften in Anspannung. Die Zähne zusammengepresst, zischte Hugo kaum hörbar: »Boso«, und befahl dann: »Das ganze Heer marschiert nach Süden. Otto ist mir egal, und Berengar auch.«
Die Offiziere blickten sich fragend an, denn sie hatten nicht verstanden, worum es hier eigentlich ging. Da lieferte der Bote ihnen die Erklärung. Als habe er den Heiligen Gral gefunden, rief er laut: »Aufstand! Das Wort ich gesucht. Le Duc Boso ist im Aufstand.«
38
Als Lando das große
triclinium
in der Villa des Prinzeps von Rom betrat, war er überrascht. Zunächst schauderte er vor Kälte. Obwohl er im sonnigen Capua neun Monate im Jahr angenehme Wärme genoss, kannte auch er durchaus Eis, Frost und Schnee, ja manchmal unternahm er gerade im Winter Reisen durch das Fürstentum. Kälte im Allgemeinen machte ihm also nichts aus, aber diese hier stand still, setzte sich in den Mauern fest, durchdrang den ganzen Raum, als sei sie hier zu Hause. Der mächtige Kamin an der Stirnseite des
tricliniums
schien seit Urzeiten nicht mehr benutzt worden zu sein, aber Alberic und seine Familie saßen davor, als spende er wohlige Wärme. Zur Linken des Prinzeps ruhte sein alter Hund Cicero auf einer Decke, dem einzigen Stück Stoff des Raumes, und rührte sich nicht. Alberic kraulte ihn am Nacken, und es sah aus, als ginge ein Teil der Lebensmüdigkeit des blinden Jagdhundes auf ihn über. Zu seiner Rechten jedoch saß Alda, lächelnd, mit dem kleinen Octavian neben sich und einer wenige Wochen alten Tochter auf dem Schoß. Sie drückte Alberics andere Hand, und ihre Liebe, schien es Lando, war das Einzige, das Alberic zusammenhielt.
Lando war noch nie mit Alberic zusammengetroffen, aber er wählte dennoch eine persönliche Anrede, als er nach dem Austausch der Begrüßungshöflichkeiten zum Grund seines Besuches kam. »Ich möchte dich bitten, Alberic, mit dem Papst zu sprechen. Er soll nun endlich seine Einwilligung zur Krönung Lothars geben.«
»Nein. Lothar ist ein Hampelmann«, erwiderte Alberic scharf, aber Lando hörte auch eine leichte Müdigkeit aus der Stimme
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