Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
beider Seiten an den Rand ihrer Kräfte gebracht. Und dann dieser Tag: Hugo hatte erleben müssen, wie sein Fußvolk nach kurzem Kampf den Rückzug antreten wollte. Aber dann hatte er sich mit seinen wenigen Reitern in die Schlacht gestürzt und das Blatt gewendet. Er hatte gekämpft wie ein Berserker, teilweise war er von vier gegnerischen Soldaten umzingelt gewesen, aber er hatte keine Sekunde ans Aufgeben gedacht. Nachdem er drei Stunden mit dem schweren Schwert in seiner Rechten auf die Schilde und Helme und Rüstungen der Feinde eingeschlagen hatte, gehörte ihm der Sieg.
Hugo jedoch kannte keine Ermüdung. Noch immer umklammerte seine Faust die Waffe, als er über das blutgetränkte Schlachtfeld tappte wie ein Bauer durch die Saat. Er war noch nicht am Ziel. Seine Augen spähten nach allen Seiten, um den Verräter zu finden, der an allem schuld war. Nachdem auch Lothar sich von ihm losgesagt hatte, besaß Hugo nun nicht mehr Land als jenes Fleckchen Erde, auf dem er gerade gesiegt hatte und das übersät war von Tod, Leid und Fliegen.
Einer der Soldaten rief auf der Suche nach ihm seinen Namen. »Wo ist der König? Ich habe seinen Bruder. Ich habe Boso.« Hugo wandte sich heftig winkend um. »Hier! Hier bin ich.«
Der Soldat hielt Boso am Schopf gepackt und warf ihn jetzt vor Hugo ins feuchte Gras. »Du lebst!«, hauchte Hugo und atmete zufrieden durch. »Ich hätte es niemandem gegönnt, dich getötet zu haben.«
Boso hatte eine stark blutende Wunde am linken Oberarm, die er mit der Hand bedeckt hielt. Sein Gesicht war schmutzig, sein Körper schlaff. Aber er ähnelte Hugo mehr denn je.
»Ich habe ihn dort drüben gefunden«, erklärte der Soldat. »Er hat sich tot gestellt und . . .«
»Geh weg«, fuhr Hugo den Mann an und blickte so ungeduldig, dass dieser schleunigst wegrannte. Dann wandte er sich wieder an Boso. »Ich habe dir vor langer Zeit gesagt, dass du keine zweite Chance von mir erhältst.«
Boso blickte in das feuchte Gras vor sich. »Ich weiß, was du jetzt tun musst. Tue es schnell.«
»Erst will ich wissen, wie du nur so dumm sein konntest.«
Boso schüttelte müde den Kopf. »Mach schon. Rede nicht lange.«
»Hast du jemals geglaubt, mich besiegen zu können? Ich will es wissen!«
»Und ich will meine Ruhe. Verstehst du? Ich bin es leid, zu streiten und immer wieder zu streiten. Es gibt nichts, was es wert ist, ein solches Leben zu führen, wie du und ich es gelebt haben.«
»Ich verstehe kein Wort von dem, was du sagst.«
Boso sah jetzt zu seinem Bruder hoch, der wie ein zorniger Gott vor ihm aufragte, und stieß einen verächtlichen Seufzer aus. »Dann warte noch fünf Minuten, dann wirst du es verstehen. Sobald ich tot bin, bleibt dir nichts mehr, was du noch anstreben kannst. Du glaubst, du hast gesiegt, aber in Wahrheit sind wir beide geschlagen. Sieh dich doch um, drei Viertel deiner Soldaten sind tot. Du hast nichts mehr, Hugo, nichts. Als ich mich zu dem Aufstand überreden ließ, habe ich dieses Ende geahnt. Ich dachte, ich würde mich darüber freuen können, aber jetzt bin ich nur noch gleichgültig. Trotzdem würde ich es jederzeit wieder tun, Hugo, denn es gibt nichts Schlimmeres, als dich zu kennen. Diese Erfahrung habe nicht nur ich gemacht.«
»Überreden, sagst du? Wer hat dich überredet?«
Bosos Augen blitzten für einen Moment auf. »Sag bloß, du ahnst nichts.« Er sah Hugos verwirrten Blick und lachte. »Ha, das ist herrlich, das ist wunderbar, ja, das ist fast diese ganze Tragödie wert. Du hast nichts von dem verstanden, was passiert ist? Mein armer, heldenhafter Bruder.«
»Rede endlich. Welcher Schuft hat dich angestiftet? Otto? Berengar? Oder nein, warte, es war bestimmt die römische Ratte, Alberic.«
Finstere Bosheit kroch über Bosos Gesicht. Alles, was Hugo ihm angetan hatte, die Niederlagen und Demütigungen vergangener Jahre, war mit dem heutigen Tage gerächt. Eine letzte Wonne blieb Boso noch, und er lachte sie in die neblige, kalte und blutgetränkte Welt hinaus. »Marocia, du Esel. Sie steckt dahinter. Es scheint, dass du eine Frau zu viel enttäuscht hast.«
Hugo wandte sich um, damit Boso die Erschütterung nicht sehen konnte. Der Name seiner früheren Gemahlin war wie ein Gottesblitz auf ihn niedergesaust. Nein, er war tatsächlich nie auf den Gedanken gekommen, Marocia könnte hinter den Aktionen Ottos, Berengars und Bosos stecken. Ließ dieses Weib ihn denn nie los? Wollte sie ihn wie eine Furie bis ins Grab verfolgen? Plötzlich
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