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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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»ob du am Weihnachtstag noch ebenso fidel die Worte schwingst. Ich glaube eher, sie bleiben dir im Halse stecken.« Laut schmetterte er die Spitze seines Stocks auf den Boden und hinkte mitsamt seinem Gefolge in das Innere der Engelsburg.
    Die übrigen Männer, die zu Marocia gehörten und bisher die Besatzung der Engelsburg bildeten, verstreuten sich murrend. So hatten sie sich ihre Befreiung nicht vorgestellt. Wenn alle Deutschen so undankbar waren, dann kämpften sie wohl auf der falschen Seite. Weniger denn je verstanden sie jetzt ihre Senatrix, denn ein einziges Wort von ihr würde genügen, und sie würden ihre Waffen sofort gegen die Männer des geifernden Bischofs wenden. Doch Marocia befahl ihnen nichts dergleichen, und so ließen sie sie allein in der Vorhalle zurück. Nur Suidger blieb an ihrer Seite.
    »Die habt Ihr verloren«, konstatierte er. »Und das ist nur der Anfang. Kein Römer wird begreifen, dass Ihr Euch derart ausliefert. Damit gebt Ihr die Unabhängigkeit der Ewigen Stadt preis – und so etwas vergeben die Menschen hier nie.«
    »Glaubt Ihr wirklich, Suidger, dass ich mich in dieser Situation um meinen Ruf schere? O nein, ich habe jetzt eine ganz andere Pflicht, und die gedenke ich auch zu erfüllen.«
    Suidger verstand nicht sofort, doch eine Nachfrage erübrigte sich, denn im nächsten Moment glitzerte Marocias Plan ihn aus ihren alten, aber wachen Augen an.
    »O nein«, ächzte er und hielt sich die Hand vor das Gesicht.
    »O doch«, entgegnete sie mit einem Lächeln auf den Lippen, aber es war nicht wie sonst, es war voller Qual.

    Am gleichen Abend kleidete Marocia sich in den wärmsten und dunkelsten ihrer Mäntel, stülpte sich die Kapuze über den Kopf und ging mit der größten Selbstverständlichkeit hinaus auf den Hof vor der Engelsburg. Als die Waffenträger sie sahen, erhoben sie sich fragend und zögerlich von ihren Lagerfeuern, um die sie sich geschart hatten. Vor der Torwache blieb Marocia stehen und befahl: »Öffne das Tor. Ich will hinaus.«
    »Das geht nicht«, gab der Mann auf Deutsch zurück. »Der Bischof hat befohlen . . .«
    »Ich habe nicht die Absicht zu fliehen«, herrschte Marocia ihn in seiner Sprache an. Sie hatte die letzten Jahre viel mit dem Studium des Deutschen verbracht, und von einigen wirklich komplizierten Wendungen abgesehen, meisterte sie diese für Lateiner holprige Sprache recht gut. »Noch bevor der Morgen graut, bin ich wieder zurück – oder tot. Also öffne!«
    »Der Bischof wirft mich in den Kerker, wenn ich . . .« Noch bevor er zu Ende sprechen konnte, hielt ihm einer ihrer früheren Gefolgsleute von hinten den Mund zu, und ein anderer entriegelte das schwere Tor. Sie warf den beiden einen dankbaren Blick zu und huschte durch den offenen Spalt. Sie überquerte die Tiberbrücke. Dann hörte sie, wie Alarmrufe aus dem Kastell drangen, und gleich darauf eilten ihre beiden Helfer hinter ihr her, um sie zu begleiten.
    In dem Gebiet rund um das frühere Pantheon waren die Straßen übersät mit abgeknickten Waffen, Schlagbalken und zertrümmerten Schilden. Menschen hingegen sah sie kaum, und wenn, waren es leblose Gestalten, von Pfeilen oder Speeren durchbohrt und vom Frost überzogen. Bilder des Aufstandes im Jahr 897 kamen ihr in den Sinn, als eine wilde Horde willkürlich alles zertrümmert hatte, was ihr in den Weg kam. Damals, erinnerte sie sich, hatte sie ihre Furcht vor den anderen nicht gezeigt, und jetzt, sechsundsechzig Jahre später, ging sie wieder festen Schrittes und erhobenen Hauptes durch die Häuserschluchten, obwohl sie jederzeit mit dem Schlimmsten rechnete.
    Das Forum Romanum umging sie, da der Platz zu gut einsehbar war. Im Übrigen fürchtete sie, dort erkennen zu müssen, dass die Aufständischen Teile der antiken Bauten abgerissen hatten, um sie als Katapultgeschosse zu benutzen. Ihre Römer, wusste sie, hatten bisweilen eine allzu nüchterne Beziehung zu ihrer Vergangenheit, wenngleich sie im Grunde nur noch von dieser lebten. So nahm Marocia also den Umweg über die Senke am Circus Maximus bis zu den Thermen des Caracalla, wo im Frühjahr die Störche rasteten.
    Der Weg hinauf zum lateranischen Hügel war beschwerlich, zumal sie schon einige Meilen zurückgelegt hatte. Oben angekommen, rang sie nach Luft, aber dennoch stellte sie schnell fest, dass keine Wachen vor dem Palast postiert waren. »Ihr bleibt hier«, sagte sie ihren beiden Begleitern und betrat die Anlage durch die Laterankirche. Am Altar angekommen, hielt

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