Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
ohne Antwort blieb, sah sie auf, und neuerlich vermochte die Senatrix, sie zu überraschen. Die Selbstbeherrschung der Römerin schien wie weggezaubert. Tränen drängten sich in ihre Augen und spiegelten auffällig das Licht des Kaminfeuers, die Ohrringe zitterten unter den Bewegungen des Kopfes, die Finger verhakten sich ineinander. Unter dem Eindruck dieser plötzlichen Veränderung stand die Kaiserin auf und ging – ehe sie überlegte, was sie da tat – auf Marocia zu und berührte sie. »Verzeiht«, hauchte sie. »Ich hatte nicht bedacht . . . Vermutlich ist er der Mann, der Euch am schmerzlichsten von allen verletzt hat, mehr noch als Hugo.«
    »Mehr noch als Hugo«, bestätigte Marocia nickend. »Aber es gab noch andere. Berengar zum Beispiel, der Großvater des Mannes, gegen den Euer Gemahl derzeit kämpft. Er hat . . .« Marocia stockte und sah die Kaiserin mit glitzernden Augen an. »Ich habe für Euch gebetet«, sagte sie. »Als Ihr im Kerker am Gardasee gefangen wart, habe ich jeden Tag an Euch gedacht. Ich hoffte, dass Euch nicht dasselbe geschehe wie mir, damals im Sommer des Jahres 915 in einem Feldlager.«
    Die Kaiserin war aschfahl geworden, und sie schien ganz leicht zu wanken, wie eine hundertjährige Eiche im Sturm. Aber sie blieb stehen. »Ihr auch?«
    Marocia nickte stumm.
    Adelheid suchte den Halt eines Möbels. Ihr Blick war voller Schmerz und Kälte gleichermaßen, und ihre Stimme schien aus einer anderen Welt zu kommen. »Er hat mich nicht nur schlagen lassen, wie ich immer behauptet habe«, gestand sie. »Wohlgemerkt, er selbst hat mich nicht angerührt. Er hat einen Mann zu mir in die Zelle geschickt, der noch fetter war als er selbst, und er hat zugesehen, während . . . Versteht Ihr, er war sogar so erbärmlich und feige, nicht selbst . . .« Adelheid rieb sich die Stirn. »Ich habe noch nie darüber gesprochen«, sagte sie. »Und ich . . . ich kann es auch jetzt nicht.«
    Marocia ging zu ihr und umfasste ihre Hände mit den eigenen. Eine Weile lang tauschten sie nur Blicke. Marocia, die vierzig Jahre älter war, tröstete sie allein mit ihrer Erscheinung. Für Augenblicke war die alte Senatrix keine politische Figur, keine moralische Gegnerin, keine römische Autokratin, keine gottlose Zynikerin und keine Hochverräterin. Sie war eine Frau, die das gleiche durchlitten hatte wie sie selbst.
    Von draußen drangen jetzt laute Rufe und Jubel heran. »Sieg, Sieg!«, schrien die Soldaten und schlugen mit den Scheiden ihrer Schwerter rhythmisch auf die Schilde. »Der Kaiser hat gesiegt, Berengar ist tot, der Kaiser hat gesiegt, Berengar ist tot . . .«
    »Eine gute Nachricht für uns beide, Majestät«, lächelte Marocia, griff dann aber Adelheids letzte Worte auf. »Ich beneide Euch darum, weiter schweigen zu können. Wenn Ihr es nicht wollt, wird nun nie jemand von der . . . der Gewalt an Euch erfahren. Ich selbst war gestern gezwungen, mein Leben vor dem Gericht auszubreiten.«
    Mit diesen Worten drehte Marocia sich um und ging zur Tür. »Betrachtet dieses Gemach als das Eure, Majestät.« Sie verbeugte sich so tief, wie es bei Frauen ihres Alters selten zu sehen war, und schickte sich an, den Raum zu verlassen.
    Als Marocia fast schon draußen war, holte ein Ruf der Kaiserin sie zurück. Er war schon wieder sehr erhaben. »Senatrix! Ihr werdet Euer Amt noch heute niederlegen und den Verzicht auf die Engelsburg erklären.«
    Marocia erklärte ihre Bereitschaft dazu mit einem Senken und Heben der Lider. Im Angesicht des Todes fiel ihr der Verzicht nicht schwer.
    »Ferner werdet Ihr Rom verlassen und nur bei vorheriger Genehmigung wieder betreten.«
    »Aber Majestät, das Urteil . . .«
    »Überlasst Liudprand mir. Der Kaiser wird ohnehin froh sein, dass Ihr davongekommen seid. Er hat eine Schwäche für Euch . . .« Ein bitterer Zug formte sich um Adelheids Mundwinkel. Dann holte sie tief Luft. »Ihr habt zehn Tage Zeit, Eure Angelegenheiten zu ordnen. Mehr kann ich nicht tun. Das ist alles. Ihr dürft gehen.«
    Marocia blieb zunächst wie angewurzelt stehen, aber ein strenger Adlerblick der Kaiserin schreckte sie auf.
    »Danke«, sagte Marocia, erntete jedoch keine weitere Erwiderung Adelheids. Langsam ging sie hinaus.
    »Lebt wohl«, flüsterte Adelheid, nachdem sie allein zurückblieb. Sie nahm den Kelch, schöpfte sich heißen Wein nach und ließ die letzten Stunden mit dieser Frau noch einmal im Geiste vorüberziehen. Wieder hatte Marocia erreicht, was sie wollte. Sie war frei, wenn

Weitere Kostenlose Bücher