Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
sich in politische Entscheidungen einmischen, ihn eines Tages vor die Wahl stellen, zwischen seiner Liebe und seinem Amt zu wählen. Wie hatte er ihr damit Unrecht getan! Dieses zauberhafte Wesen verlangte doch nichts anderes als eine Aufgabe und ein wenig Freiheit. Ihr hübsches Gesicht, das die letzte mädchenhafte Rundlichkeit abgelegt hatte und wunderbar schlank geworden war, schmiegte sich seit einiger Zeit fast jede Nacht an seine Brust. Er liebte sie, aber es war ihm wichtig zu wissen, dass seine Liebe erwidert wurde. Und er glaubte, zumindest ein Gefühl starker Sympathie bei ihr zu spüren.
»Ein unerhörtes Schauspiel«, raunte ihn plötzlich jemand von der Seite an. »Es höhlt unseren Glauben aus.« Saxo und dessen Sekretär verbeugten sich vor ihm.
»Um Himmels willen, Saxo!«, rief Sergius. »Wie kann Musik den Glauben unterhöhlen?«
»Bedenkt die Herkunft der Klänge, Heiligkeit. Die Hälfte der Instrumente ist arabisch. Empörend! Überall kämpft das Christentum gegen die Ungläubigen: Mit Eurem Segen hat Spanien seine Reconquista begonnen, die Korsen wehren sich verzweifelt gegen ihre Unterwerfung unter die Sarazenen, unsere byzantinischen Glaubensbrüder versuchen Kreta den heidnischen Hunden zu entreißen. Und wir? Wir laden sie ins Haus und füttern sie.«
Sergius hob den Zeigefinger. »Die Musikanten sind Christen, Saxo. Nur die Instrumente sind arabisch.«
»Schlimm genug. Diese Klänge vergiften uns, Heiligkeit. Und Eure . . . Eure . . .«
Spöttisch half Sergius aus. »Consilia, möchtest du sagen, nicht wahr?«
Saxo kniff den Mund zusammen, und so war es erneut an Desiderius, für seinen rhetorisch minderbemittelten Vorgesetzten einzuspringen und sich auf diese Weise ein paar Lorbeeren zu verdienen. »Verzeiht, Heiligkeit, aber der edle
primicerius
möchte lediglich, dass seine Bedenken ernst genommen werden«, sagte er. »Die Verwaltung des Lateran gehört zu seinen vornehmsten Aufgaben, doch die Veränderungen der letzten Monate sind nie mit ihm besprochen worden. Die edle Marocia traf sie fast immer allein mit Euch.«
»Tss«, zischte Saxo durch die Zähne. »Edel. Dass ich nicht lache.«
Sergius schnaufte. Saxo konnte seine giftigen Bemerkungen einfach nicht lassen. Aber dieser Sekretär, dessen Namen er kaum kannte, sprach viel Wahres. Vielleicht müsste man . . .
Marocia trat hinzu. Das Spiel hatte sein Ende gefunden, und sie wollte wissen, wie es Sergius gefallen habe.
»Es war schön«, bestätigte Sergius. »Aber auch«– er warf einen Seitenblick auf Saxo –»gewagt.«
»O weh«, stöhnte Marocia in gespielter Sorge. »Was wirst du dann erst zu meinem nächsten Skandal sagen?«
»Noch ein Musikinstrument?«, jammerte Sergius.
Marocia schmunzelte. »Gewissermaßen.«
»Lauter als dieser – wie heißt das Ding? – Dudelsack?«
»Nicht ganz so laut. Aber es lärmt vor allem nachts. Ist das ein Problem?«
»Nachts?«, rief Sergius.
»Hast du denn noch immer nicht verstanden?« Marocia fiel ihm lachend um den Hals. »Ich bin schwanger, Sergius. Wir bekommen ein Kind.«
Saxo schlug sich die Hand vor die Augen. Für die nächsten Monate, wusste er, würde Sergius seiner Hure restlos verfallen, ihr jeden Wunsch erfüllen und jede Verfügung für sie aufheben. Ihm selbst jedoch blieb vorerst nichts anderes, als zu beten, dass dieses Balg niemals lebend das Licht der Welt erblickte.
12
»O heiliges Licht und allumfassende Luft,
So oft hört ihr mein Klagelied,
Mein Schreien und wie ich heftig
Schlug an meine blut’ge Brust,
Sobald die düstre Nacht entwich!
Die bitteren Lager in diesem elend Haus,
sie kennen doch mein nächtlich Leid . . .«
Marocia legte das Buch auf ihren Knien ab. Sie lehnte sich in den breiten, mit weichen Fellen gepolsterten Sessel zurück und blickte ins knisternde Feuer. Der harzige Duft des Nadelholzes machte sie schläfrig. Ein feiner Rauchschleier kroch die Vorderseite des Kamins hoch; viel weiter oben erst, an der Decke, löste er sich scheinbar in nichts auf, verschwand in der Weite ihres Gemachs. Die rußigen Schlieren aber, die wie Schatten die Wände bevölkerten, bewiesen Marocia, dass manche Dinge geradezu unheimlich langsam wuchsen. Vor einigen Jahren hatte sie gelesen, dass in der Antike Ehefrauen ihre unliebsamen Gatten beseitigten, indem sie ihnen über viele Wochen hinweg täglich verschwindend geringe Mengen eines Giftes im Essen verabreichten. Die arglosen Männer schritten wie durch eine Nebelwand. Fast stündlich
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