Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
Zeit verstreichen, bevor er antwortete. »Nur ein Hurenkind.«
Damiane hob ihren Kopf leicht an. »Nur ein . . .? Wie herzlos du bist.«
»Ich sage nur die Wahrheit.«
Sie klopfte sich auf die Brust. »Dann bin ich auch eine Hure. Deine Hure. Wünschst du mir, dass ich dein erstes Kind verliere?«
»Wie kannst du nur so etwas sagen!«
»Hojo, wie kannst du solches Zeug sagen, frage ich dich!«
Gratian sah zum ersten Mal Zorn in Damianes Augen, und das missfiel ihm derart, ja machte ihm sogar Angst, dass er nach kurzem Zögern einlenkte. »Du hast Recht. Ich habe dummes Zeug geredet. Natürlich ist es schlimm, was mit deiner Herrin passiert ist. Aber nicht
wir
haben das getan. Du hast selbst gesagt, es war ein unbekannter Mann.«
»Ja, dein Auftraggeber. Oder der Auftraggeber deines Auftraggebers. Ich will jetzt wissen, welcher Schurke hinter dieser Gemeinheit steckt. Wem verkaufst du alle die Informationen, die wir so dumm waren zu geben? Sag es, sofort, oder ich gehe.«
Gratian druckste. Doch noch während er mit der Antwort rang, öffnete sich die Tür, die nur angelehnt gewesen war, wie durch Geisterhand. Einen Augenblick später trat ein Mönch ein und lüftete seine Kapuze.
»Das ist er«, erklärte Gratian seiner Geliebten und stand auf. »Desiderius, der Sekretär des . . .«
»
Primicerius
«, ergänzte Damiane, die sich mit den Verhältnissen im Lateran einigermaßen auskannte.
»Noch bin ich der Sekretär«, sagte Desiderius, und ein Ausdruck spielerischer Gelassenheit schwang in seiner Stimme mit. »Aber nicht mehr lange.«
»Hojo! Ein wahres Wort«, meinte Damiane und griff Gratians Hand. »Ihr werdet für diesen Verrat mit Eurem Amt zahlen, dafür sorge ich. Und schmoren werdet Ihr in der Hölle.«
Desiderius faltete die Hände ineinander und schritt gemächlich zum Fenster. »Nur zu, Mädchen, zeig mich an. Ich werde alles abstreiten. Doch selbst, wenn man dir glauben sollte: Du zahlst ebenso.«
»Er spricht die Wahrheit«, flüsterte Gratian und zupfte Damiane am Ärmel. »Wir stecken über beide Ohren mit drin. Willst du, dass wir vor Gericht kommen? Kerker oder Tod wären uns sicher.«
Desiderius klappte seine Arme wie zur Anrufung Gottes während der Messe aus.
»Ich hätte es nicht besser beschreiben können«, lobte er Gratians Ansicht.
»Du meinst, er kommt ungestraft davon?«, fragte sie Gratian.
»Nicht nur ungestraft«, verbesserte Desiderius. »Du, Mädchen, wirst Marocia weismachen, dass du nicht bloß dem Papst erzählt hast, wohin du und deine Herrin gehen wolltet, sondern ganz beiläufig auch einer weiteren Person: Saxo. Er hat dich gefragt, und du hast dir nichts Schlimmes bei deiner Antwort gedacht. Aber es ist wichtig, dass du nur Marocia davon erzählst, hörst du? Nicht dem Papst.« Er holte einen kleinen Beutel hervor, in dem deutlich hörbar Münzen klimperten. »Das ist für eure Dienste, die vergangenen – und die künftigen. Weicht ihr jedoch nur ein kleines bißchen von meinen Anordnungen ab, seid ihr verloren. Nun entscheidet euch.« Ohne ein weiteres Wort ging er hinaus.
Geschockt konnten Damiane und Gratian sich eine Weile nicht von der Stelle rühren, dann streckte er seinen Arm aus, umfasste ihre Schulter und zog sie langsam an sich heran. Damiane leistete zunächst geringen Widerstand, doch schließlich lehnte sie ihren Kopf an Gratians Brust. »Was auch immer wir tun«, hauchte sie. »Früher oder später holt uns das ein. Wir sind verloren.«
»Gott sei Dank«, flüsterte Sergius und knetete Marocias Finger mit seinen beiden Händen. Gleich nach Betreten ihres Gemachs hatte er den Medicus und Damiane hinausgeschickt, denn es durfte nicht sein, dass ein Papst vor jemand anderem als vor Gott kniete. Doch allein mit ihr, scheute er sich nicht, seine wahren Prioritäten zu zeigen, und Gott war gerade noch so viel wert, ihm eine Floskel zu widmen. »Gott sei Dank«, wiederholte Sergius. »Du bist endgültig außer Gefahr.«
Seine Worte klangen wie Hohn in ihren Ohren. Warum sollte sie Gott wohl dankbar sein? Sie hatte ihr Kind verloren, und ihr eigenes Leben, wieso auch immer es verschont geblieben war, war nur noch halb so viel wert.
Doch war es je etwas wert gewesen? Wie schwach sie doch war! Wie unfähig! Sie hatte ihr Kind verloren; das zerbrechlichste, zarteste und kostbarste aller Geschenke, das sie je erhalten hatte, war ihr im eigenen Leib zerbrochen. In ihrer Mitte, dort, wo es sich sicher fühlte. Sie hatte es nicht beschützen können. Ihr
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