Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste
und schüttelte ihre Haare aus. Während sie sich kämmte, ging Sergius langsam durch sein Gemach und löschte eine Kerze nach der anderen mit einer silbernen Dochtkappe.
»Mit der Tochter des Fürsten von Benevent«, bestätigte er. »Eine politische Ehe. Wenn die beiden erst einmal verheiratet sind und der greise Brautvater gestorben ist, vereinen sie ihre Länder. Eine gute Partie für beide, wenngleich . . .«
»Wenngleich was?«, fragte Marocia.
Sergius hielt einen Moment mit seiner Arbeit inne und blickte durch das Halbdunkel des Raumes zu dem kleinen Spiegeltisch, vor dem Marocia saß. Im Licht der Kerzen schillerte ihr schwarzes Haar wie von Goldstaub bestreut, und das leise, knisternde Geräusch des Kammes kam ihm plötzlich wie das Sinnbild ihres Zusammenlebens vor. So, wie sie dort saß, friedlich und fraulich, verliebte er sich noch einmal in sie. »Sobald Capua und Benevent ihm allein gehören, wird Lando noch schwieriger werden, als er ohnehin schon ist. Er gilt als ausgesprochen unbequem.«
»Inwiefern?«, fragte Marocia nach.
Er löschte die restlichen Kerzen, bis nur noch eine auf Marocias Spiegeltisch gegen die Finsternis ankämpfte. Dann stellte er sich hinter sie und massierte zärtlich ihren Nacken. »Nun ja, in der Vergangenheit nahm er bei Verhandlungen mit mir und den Landesherren gerne gegensätzliche Standpunkte ein.«
»Und
das
nennst du bereits unbequem, eine eigene Meinung zu haben?« Sie stand auf und ging auf die Seite des Bettes, die sie benutzte, wenn sie bei Sergius schlief.
Sergius ging auf die andere Seite. »Höre mal! Er weigert sich, das Imperium als Schutzherrin Capuas zu akzeptieren, und für seine Vereinigung mit Benevent hat er nicht die Genehmigung des Kaisers in Byzanz abgewartet.«
»Wie furchtbar«, meinte sie und schüttelte übertrieben den Kopf. Dann lupfte sie die gekämmte Wolldecke hoch und schlüpfte darunter.
»Du brauchst das gar nicht so abzutun«, sagte Sergius. »Damit hat er uns alle in Gefahr gebracht, denn zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat das Imperium die gewaltsame Besetzung eines italischen Landes geplant. Aber dann hat dieser Schurke es doch noch geschafft, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.«
Marocias Augen flammten kurz auf. »Wie?«
Sergius legte sich ebenfalls nieder und streckte den Arm zu ihr aus, damit sie sich an ihn schmiegen konnte. Sie zögerte einen Augenblick, dann lehnte sie ihre Wange an seinen Unterarm und blinzelte ihn an.
»Stell dir vor«, erläuterte Sergius. »Er hat die Gottlosigkeit begangen, ein Bündnis mit den Sarazenen zu schließen, mit den Ungläubigen. Skandalös! Sollten die Byzantiner Capua angreifen, werden die Araber ihnen in den Rücken fallen.«
»Das ist verwegen«, hauchte Marocia.
»Das ist wohl kaum das richtige Wort.«
»Also schön, dann ist es eben genial.«
Sergius runzelte die Stirn. »Du denkst nicht nach. Was ist, wenn die Byzantiner die Sarazenen angreifen sollten, um ihre Gebiete in Süditalien zurückzuerobern? Dann muss Lando den Gottlosen beistehen, wie sein Vertrag es vorsieht. Und ich werde in einem solchen Fall nicht zögern, ihn in den Bann zu legen.«
Marocia richtete sich etwas auf. »So etwas würdest du tun? Er hat mich vor diesem Widerling gerettet, während du verstaubte Formeln verlesen hast.«
Sergius atmete tief ein, doch sie ließ ihm nicht die Zeit für eine Erwiderung.
»Und überhaupt: Sollte er sein Land besser den Interessen eines orientalischen Despoten unterordnen, der es gewohnt ist, dass alle sich vor ihm verbiegen? Lando spielt mit dem Feuer, na schön, du steckst lieber den Kopf in die Erde. Jedem sein Element zum Wohlfühlen.«
Ihr anschließendes Schweigen war eisig, und als sie Sergius’ verwundeten Blick auffing, rührte kein Mitleid sie an. Sie wusste selbst nicht, warum sie diesen Streit vom Zaun gebrochen hatte, aber nun, da es einmal geschehen war, war sie nicht bereit, auch nur ein einziges Wort zurückzunehmen.
Sie hieb mehrfach mit ihrer zierlichen Faust auf das Daunenkissen ein und ließ sich schließlich darauf fallen. Doch nur einen Lidschlag später stand sie auf und warf sich einen Morgenmantel über das weiße Nachthemd.
»Was tust du da?«, fragte Sergius mit großen, wässrigen Augen.
Ohne noch ein einziges Wort oder einen Blick an ihn zu richten, verließ sie den dunklen Raum. Zweimal noch rief er ihren Namen, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Doch Marocia war schon längst in den Gängen des Lateran
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