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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Glauben übte. Doch auch die
Illiterates
, die arbeitende ländliche Bevölkerung Italiens, der die Prälaten nicht mehr Verstand als einer Kuh zubilligten, waren anfällig für Zeichen und Omen – und ihre Provinzherren, wie es schien, ebenfalls.
    Gottes Fluch also! Nun wurde Marocia alles wie von Zauberhand verständlich. Die ganze Zeit über war ihr die Frage nicht aus dem Kopf gegangen, weshalb Alberic unter allen guten Partien im Königreich Italien ausgerechnet
sie
zur Gemahlin nehmen wollte. Ihr Ruf war nun wirklich nicht der beste, und sie verfügte weder über eigenes Vermögen noch über Ländereien oder Bewaffnete – die drei Hauptkriterien bei der Auswahl von Ehefrauen. Aber sie besaß ein Pfand, das Alberic derzeit wichtiger war: Sergius hatte dem Herzog wahrscheinlich einen Sündenablass versprochen, für den Fall, dass er Marocia ehelichte und ihr Schutz gab. Eine junge, gebärfreudige Frau, die ihm einen Nachfolger bescheren konnte, bekam er außerdem dazu. Wie schon ihre erste Beziehung zu Sergius, so würde also auch ihre zweite zu Alberic Folge eines Handels werden, wenngleich dieses Mal mit edleren Absichten des »Verkäufers«. Das perfekte Beispiel einer Symbiose – und einer meisterhaften Diplomatie des Desiderius, denn sie bezweifelte, dass Sergius sich so etwas ausgedacht haben konnte.
    Mit einem Mal sah sie den neu ernannten Bischof anders an als je zuvor. Sie kannte Desiderius seit seiner Zeit als Sekretär von Saxo, und sie hatte nach seiner Beförderung zum
primicerius
einige Male am Rande mit ihm zu tun gehabt, aber wirklich beachtet hatte sie diesen Mönch nie. Seine stille, bürokratische Wesensart gab wenig Anlass dazu. Jetzt aber fiel ihr auf, dass er – im Grunde wie ein Parasit – von ihr profitierte, zunächst von ihrem Kampf mit Saxo, jetzt von ihrer Heirat mit Alberic. Sicher, eine Reihe von Leuten konnte einen Vorteil aus dem Ableben des unbequem gewordenen Papstes ziehen: Theodora, Berengar, Byzanz, natürlich Johannes, der schon einmal einen Giftanschlag geplant hatte. Auch Desiderius gehörte in diesen exklusiven Bund der Profiteure.
    »Ich will doch hoffen«, sagte er, »dass Ihr nicht etwa den letzten Willen Eures verstorbenen Geliebten wegen dieser Mordgerüchte ignorieren wollt.«
    Marocia ließ den letzten großen Kieselstein aus ihrer Hand fallen und trat darauf, als sie einen Schritt auf Desiderius zuging. Es knirschte. Sie lächelte den Bischof an. »Keineswegs«, versicherte sie. »Bis zu meinem letzten Atemzug nicht, mein
lieber
Freund.«
    Sie durfte ihm nicht vertrauen. Niemals.

    Das Hochzeitsfest, so schlicht es auch war, übertraf an Aufwand dennoch alles, was Spoleto in den letzten zehn Jahren gesehen hatte. In Anwesenheit des gesamten Adels setzte Desiderius der Braut in der altehrwürdigen Kirche
Sanctus Paulus
das goldene Diadem der Herzoginnen auf; neben ihr kniete Alberic mit verkniffenen Augen und murmelte ein kaum vernehmbares Amen, fast der einzige Laut, den er während der ganzen Zeremonie von sich gab.
    Als sie an der Spitze des Gefolges aus
Sanctus Paulus
traten, jubelte das versammelte Volk ihnen zu, entzückt von der Schönheit seiner neuen, ganz in Königsblau gekleideten Herzogin und voller Dankbarkeit, dass es endlich einmal wieder etwas zu feiern hatte. Zum ersten Mal erlebte Marocia, dass Menschen sie offenen Herzens willkommen hießen, und so stand sie noch winkend und lachend in dieser Menge, als die Gäste sich schon lange auf die Pferde und in die Kutschen zurückgezogen hatten.

    Der Bankettsaal der mächtigen Burg von Spoleto aber war angefüllt mit unfreundlichen Mienen. Die Adelsfrauen begegneten Marocia abweisend und wichen Gesprächen aus. Wenn sie ihr doch einmal etwas antworten mussten, taten sie es mit einem solchen Widerwillen in der Stimme, dass Marocia jede Lust auf eine Unterhaltung mit ihnen verging. Die Adelsherren waren noch schlimmer. Ihre rüden Gesichter trugen deutliche Züge der Langobarden, jenes wilden Volkes von der Elbmündung, das vor vierhundert Jahren Italien erobert hatte. Aus ihren großen, von Bärten und langen Kopfhaaren umwachsenen Augen stierten sie sie mit einer Mischung aus Begehren und Verachtung an. Marocia, an der Stirntafel sitzend, fürchtete sich, diese hundert entwürdigenden Blicke lange ertragen zu müssen, und doch blieb ihr nichts anderes übrig.
    So war es fast schon ein Trost, dass die größte Feindseligkeit nicht ihr, sondern Alberic galt. Nicht ein Einziger der geladenen Gäste

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