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Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste

Titel: Die Herrin der Päpste - Walz, E: Herrin der Päpste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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knirschte mit den Zähnen. Widerwillig presste er aus sich heraus: »Es ist eine Frage. Aber ich ziehe sie zurück, da ich mir die Antwort der Beschuldigten gut vorstellen kann.«
    Suidger grinste. »Der Herr hat Euch wahrlich mit einem gesunden Vorstellungsvermögen bedacht, ehrwürdiger Abt. Wir alle wissen, was damals im Königreich Italien vorging und wie gerecht das Wirken der Herzogin war. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur nennen . . .«
    Suidgers Stimme verschwamm in Marocias Erinnerung. Ereignisse und Namen tauchten aus dem Dunkel auf und verschwanden wieder darin. So viel Übles hatte damals seinen Anfang genommen, und manches davon wirkte sogar bis heute nach, so viele Fehler, so viel Unglück machten diese Jahre zu einer einzigen schwarzen Masse. Nur eines stach wie eine klare, sonnenbeschienene Bergspitze aus diesem Meer dunkler Wolken hervor. Jede Zeit hat auch ihre Wunder, dachte sie und lächelte.

15
Anno Domini 911
    Marocia lehnte sich aus dem Fenster der Kutsche und warf einen letzten Blick auf den Tiber, den braunen Strom, der sie ihr ganzes bisheriges Leben lang begleitet hatte. Hier, am Apennin, der die mächtige Grenze des Patrimoniums zum Herzogtum Spoleto bildete, gingen ihre Wege auseinander. Während der Fluss sich breit und gemächlich durch die tiefen Täler des Gebirges schlängelte, schaukelte das schwerfällige Gefährt nach Osten, über einen der Pässe. Marocia hatte einen weiteren Vertrauten verloren. In allem sah und spürte sie derzeit Abschied und Vergänglichkeit.
    Sie seufzte, lehnte sich in ihren hölzernen, unbequemen Sitz zurück und betrachtete die Natur mit gleichmütigen Augen. Ein klarer Himmel wölbte sich über dem Gebirge, die Luft war kalt und würzig. Pinienwälder huschten an ihr vorbei, schwarze Seen funkelten im Licht der Januarsonne, Höfe und Dörfer sprenkelten die Landschaft, doch vor Marocias innerem Auge tat sich immerzu nur Sergius’ kerzenbeleuchtetes Gemach auf. Vorgestern erst war er in ihren Armen gestorben. Es kam ihr vor, als habe ihr jemand im dicksten Winter die wärmende Decke von den Knien gerissen. Ihr war kalt, und sie fühlte sich – wie damals auf dem Weg von der Villa Sirene in den Lateran – schutzlos, nur auf die eigene Stärke und Kraft angewiesen.
    Ein heftiges Holpern der Kutsche führte dazu, dass Marocia sich den Kopf an der Innenwand stieß und kurz aufschrie, und Damiane, die neben ihr saß, fiel mitsamt dem kleinen Clemens fast von ihrem Sitz und fluchte ein deutlich hörbares »Hojo«. Nur die beiden Männer, die ihnen gegenübersaßen, blieben angesichts der rauen Fahrt ungerührt. Desiderius stützte sich nur kurz ab und faltete dann wieder seine Hände auf dem Schoß. Gratian hingegen, sein Sekretär, schlief mit verrutschter Kutte und weit offenem Mund. Wenn er so laut schnarchte, dass die Kutsche von einem Schweinestall nicht mehr zu unterscheiden war, stieß Damiane ihn mit dem Fuß an. Daraufhin schmatzte er verschlafen, und eine Weile war Ruhe, aber kein Erdbeben hätte Gratian dauerhaft wach bekommen.
    »Wann erreichen wir Spoleto?« Marocias Frage unterbrach ein stundenlanges Schweigen.
    »Erst morgen Nachmittag«, erklärte Desiderius.
    Damiane jammerte. »Zwei volle Tage in dieser Kutsche sind eine schlimme Tortur.«
    Desiderius sah nicht aus, als würden Damianes Beschwerden ihn kümmern. »Wir werden eine Herberge finden, wo Ihr Euch erfrischen könnt, Durchlaucht«, meinte er zu Marocia und sprach sie bereits mit einem Titel an, der ihr erst nach der Hochzeit zustehen würde. »Schließlich tretet Ihr vor den Traualtar, sobald wir eingetroffen sind.«
    Damiane schrie kurz auf. »Sobald wir . . .? Das kann unmöglich Euer Ernst sein. Zwei Tage Verlobungszeit sind geradezu anstößig kurz. Mindestens zwei Monate müssen sein.«
    Desiderius schien sichtlich unwillig, mit einer Zofe über diese Frage zu diskutieren, daher unterließ er es auch. Marocia jedoch erriet die Gründe für die übereilte Hochzeit auch so. Eigene Entscheidungen zu treffen stand ihr nur deshalb frei, weil Sergius sie damals zur Consilia ernannt hatte. Sollte der nächste Papst ihr den Titel entziehen – was wahrscheinlich war und bald geschehen dürfte –, würde sie wieder unter der Vormundschaft ihres Vaters, de facto also ihrer Mutter enden. Und die würde die Hochzeit selbstverständlich untersagen. Desiderius, das musste Marocia anerkennen, hatte wirklich an alles gedacht.
    Die Kutsche schaukelte kräftig hin und her. Marocia sah

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