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Die Herrin der Pyramiden

Die Herrin der Pyramiden

Titel: Die Herrin der Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Stellen bersten und in kleinere, leichter zu handhabende Teile zerfallen würde. Doch diesen Gefallen tat er uns nicht. Fluchend und schwitzend setzten die Männer ihre Brechstangen an und versuchten, den Stein aus seiner Position zu schieben.
    »Hat er sich bewegt?«, fragte Kamose.
    »Keinen Fingerbreit«, meinte der Vorarbeiter, der die Markierungen angebracht hatte.
    »Versucht es noch ein Mal! Der Stein muss entfernt werden!«, befahl Kamose.
    Die Arbeiter quälten sich, bis der Schweiß in dicken Tropfen über ihre Gesichter, ihre Schultern und Rücken lief.
    »Was ist?«, fragte ich ungeduldig.
    »Ich weiß nicht«, meinte der Vorarbeiter.
    »Dann bring Markierungen an, damit ich sehen kann, ob er sich bewegt hat!«, befahl ich ihm.
    Er legte sich vor den Stein und zog mit einem scharfen Dolch eine Markierung auf der Oberseite des darunter liegenden Steines.
    »Das kann doch niemand sehen!« Ich griff nach dem Dolch und kratzte mit der Schneide auf dem Stein herum, bis die Klinge brach. Dann gab ich dem Vorarbeiter den Griff des Dolches zurück. »Ich schenke dir einen Goldbarren, wenn sich der Stein bewegt!«, unterbrach ich ihn ungeduldig. »Jeder von euch wird ein Goldstück erhalten!«
    Während ich mich fragte, unter welcher Spalte ich diese Kosten in den Ausgabenlisten der Baustelle verbuchen sollte, setzten die Arbeiter erneut ihre Stangen an und hängten sich mit ihrem ganzen Gewicht daran. »Es ist völlig unmöglich!«, sagte der Vorarbeiter.
    »Nichts ist unmöglich!«, wies ich ihn zurecht. »Vor hundert Jahren hätte dir niemand geglaubt, wenn du ihm erzählt hättest, dass du eine Pyramide baust. Damals zählte das höchste Bauwerk im Lande Kemet drei Stockwerke. Heute stehst du auf der zweiten Pyramide des Seneferu und erzählst mir etwas von Unmöglichkeiten?« Ich kochte vor Wut, nicht nur wegen der Unbeweglichkeit dieses verdammten Steinquaders.
    »Noch einmal!«, befahl mein Vater den Arbeitern.
    Ein viertes Mal setzten die zwanzig Arbeiter ihre Werkzeuge an und versuchten mit all ihrer Kraft und der Hoffnung auf ein Goldstück, den geborstenen Steinquader zu entfernen. Mein Vater und ich fassten selbst mit an.
    Und dann ruckte der Stein.
    Ein lautes Knirschen zeigte an, dass der Quader sich bewegt hatte.
    »Wie viel?«, fragte ich.
    »Höchstens zwei Fingerbreit«, sagte der Vorarbeiter, der sich über die Markierung beugte.
    »Bring eine neue Markierung an. Wir versuchen es noch einmal.«
    Die Arbeiter benötigten weitere zwei Stunden, um den Steinquader zu entfernen. Sie zertrümmerten die Reste mit dem Steinhammer und warfen die Bruchstücke an der Außenseite hinunter, nachdem sie sich vergewissert hatten, dass unten niemand von den Steinen erschlagen werden konnte.
    »Und nun?«, fragte der Vorarbeiter.
    »Du vermisst die Lücke und gibst in den Steinbrüchen einen neuen Quader in Auftrag.«
    Der Vorarbeiter und seine Männer stiegen kopfschüttelnd zur obersten Plattform hinauf, wo sich mittlerweile Gruppen von Schaulustigen gebildet hatten, die zu uns hinabsahen.
    Mein Vater prüfte den freigelegten Stein hinter der Lücke. »Verdammt! Siehst du den Riss?«
    »Was sollen wir jetzt tun?«, fragte ich ihn.
    »Wir können unmöglich noch einen Stein entfernen, nur um sicherzugehen. Der Riss läuft von der Grabkammer bis hierher.«
    Kamose und ich kehrten in das Bauleiterzelt zurück und vertieften uns in die Baupläne. Wie sollten wir uns verhalten? Gefährdete der Riss, selbst wenn er wirklich von der Grabkammer bis zur Außenseite verlief, die Stabilität des gesamten Bauwerkes? Gab es noch andere Risse, die nicht bis in das Grabkammersystem hinabreichten? Wie wirkten sich die Kräfte im Inneren des Pyramidensockels aus?
    Ich konnte keine Lösung für das Problem der Stabilität finden. Ich hätte meine Berechnungen, die auf bloßen Schätzungen beruhten, gern einem erfahrenen Architekten gezeigt. Doch welcher Architekt im Land Kemet hatte Erfahrungen im Bau von Pyramiden? Dann stellte ich mir die Frage anders: Zu wem hatte ich so viel Vertrauen, dass ich ihn angesichts der Konsequenzen um Rat fragen konnte?
    »Vater, wann willst du Prinz Nefermaat über die Schäden informieren?« Ich saß an seinem Schreibtisch im Bauleiterzelt und beobachtete ihn, wie er unruhig auf und ab ging. Hin und wieder blieb er am Zeichentisch mit den Bauplänen stehen.
    »Müssen wir ihn denn informieren?«, fragte er mich.
    »Ich glaube, dass der Baufortschritt gefährdet ist.«
    »Du glaubst?« Kamose

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