Die Herrin der Pyramiden
viel Kraft, um bei dieser Strömung zu schwimmen. Es scheint dir wieder besser zu gehen.« Khufu schwamm neben mir.
Woher stammte sein plötzliches Mitgefühl mit meinem Gesundheitszustand?
»Es ging mir nie schlecht!«, versicherte ich ihm.
»Wird dir jeden Morgen übel?«
»Nein, wieso fragst du?«
»Im wievielten Mond bist du, Nefrit?«
Ich war ungehalten über Khufus unverschämte Worte. Doch dann erkannte ich den Grund seiner Frage. Rahoteps Chancen auf die Thronfolge stiegen, sobald er einen Sohn gezeugt hatte, und seine eigenen sanken. Wenn ich schon mehr Steine auf dem Spielbrett hatte als Khufu, wollte ich keinen davon hergeben.
Ich schenkte ihm ein Lächeln und schwamm zurück zum Ufer.
In der Nacht lag ich allein in meiner Kabine und lauschte Khufus Bemühungen, es Rahotep bei der Zeugung von Thronfolgern nachzutun. Ich überlegte, ob ich mich ihm gegenüber klug verhalten hatte, als ich ihn annehmen ließ, ich sei schwanger. In wenigen Wochen würde sich herausstellen, dass ich ihn getäuscht hatte. Wie sollte ich reagieren? Da der Hochzeitstermin mit Rahotep aufgrund des bevorstehenden Feldzugs in das Zedernland immer noch nicht feststand, blieb mir nur eine Möglichkeit: Ich musste wirklich schwanger werden.
Als in der Nachbarkabine endlich die Ruhe der Erschöpfung herrschte, stand ich auf, warf mir ein Kleid über und schlich über das Deck zur Kabine, die Rahotep bewohnte. Ich wollte ihn verführen. Doch als ich vor der Tür stand und die Hand heben wollte, um zu klopfen, sah ich seinen verächtlichen Gesichtsausdruck vor mir, als ich seinen Wagen bestieg. Nein, in dieser Nacht war ich nicht fähig, mich Rahotep hinzugeben! Ich schlich zurück in mein Bett.
Am nächsten Morgen wurde die Horusfahrt fortgesetzt. Wir erreichten die Stadt Pibastet und den Tempel gegen Abend. Der Hafen des Tempels war sehr klein, und so mussten die Sonnenbarke und die Begleitschiffe lange manövrieren, bis alle Barken Platz an den Landungsstegen gefunden hatten. Die uns begleitenden Kriegsschiffe hielten einen weiten Abstand und ankerten auf der dem Tempel gegenüberliegenden Seite des Hapi.
Bastet war die Göttin von Pibastet. Die katzenköpfige Göttin war zuständig für die Liebe und die Freude. Seneferu führte die Morgenriten zusammen mit der Hohepriesterin der Bastet durch. Dann brach er mit seinen Söhnen in die Stadt auf, um dort Recht zu sprechen, das Vieh zählen zu lassen und die Steuer festzulegen. Kurz nach Seneferus Rückkehr auf die Sonnenbarke traf ein Bote aus Mempi von Prinz Nefermaat ein, der in der Abwesenheit des Königs die Staatsgeschäfte führte. In einer Ebenholzkiste, die er hinter sich auf das Pferd geschnallt hatte, brachte er dem Herrscher etliche Papyri, die Seneferu lesen sollte. Solange der Lebendige Gott im Land war, war er der unumschränkte Herrscher, sobald er das Land über das Meer in Richtung Zedernland verlassen würde, wäre Nefermaat der ungekrönte König.
Nach der Ankunft des Boten zog sich Seneferu mit vier Schreibern an seinen Schreibtisch zurück, der unter einem weißen Sonnensegel auf dem Oberdeck der Sonnenbarke aufgestellt worden war.
Im Schatten meines Sonnensegels las ich eine Reisebeschreibung von Neferefre, als sich eine meiner Dienerinnen näherte. »Der Bote des Wesirs hat auch einen Brief für dich.«
Der Bote, ein Reiter aus dem Regiment des Ptah, überreichte mir einen gefalteten Papyrus. »Dieser Brief wurde im Kriegerhaus für dich abgegeben.«
Von wem konnte der Brief sein? Von Sarenput? Von meinem Vater? Wer stand noch in Verbindung mit dem Kriegerhaus des Ptah? Ich bedankte mich und entließ den Boten. Dann öffnete ich den Brief:
»Geliebte Nefrit. Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Komm, so schnell du kannst. Kamose.«
»Du kannst unmöglich jetzt abreisen, Nefrit!«, beharrte Rahotep stur.
»Aber es gibt Probleme auf der Baustelle. Ich muss zurück.« Ich lief in Rahoteps Arbeitsraum auf der
Udjat
auf und ab. Ti, der neben Rahotep am Schreibtisch saß, beobachtete mich mit verschränkten Armen.
»Dein Vater ist Bauleiter und wird wohl auch ohne dich diese Probleme lösen können!«
»Er bat mich ausdrücklich, so schnell wie möglich zu kommen.«
»Du kannst nicht allein und ohne Geleitschutz durch das halbe Land reisen. Du kannst auch keine der Barken benutzen. Wie willst du die Baustelle erreichen?«, fragte Rahotep.
»Mit einem Wagen.«
»Hier im Unteren Land? Hast du dir den
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