Die Herrin der Pyramiden
sein, aber auch viele ehemalige Pyramidenbauarbeiter. Ich habe mir überlegt, auf dem Gelände eine Schule einzurichten. Es wäre gut, wenn die Kinder lesen und schreiben lernen könnten.«
»Die Domäne soll eine Schule erhalten.«
»Nun zu den Kosten. Ich rechne damit, dass der Bau der Wirtschaftsgebäude in Lehmziegelbauweise mit festen Holzdächern, die Errichtung der Verwaltungsgebäude, der Schule, der Lagerhäuser und Magazine sowie der Wohnhäuser für die Priester und Arbeiter, die Anlage der Felder inklusive Saatgut und Arbeitszeit sowie dem Transport der hundert Schiffsladungen schwarzer Erde aus dem Sumpfland, der Anlage der Olivenplantagen, der Weinstöcke sowie der Weihrauchbäume, die ich aus Punt importieren möchte, ungefähr so viel Kupfer verbrauchen wird wie der Bau der neuen Residenz.«
»Auf die Weihrauchbäume aus Punt werden wir verzichten müssen, Nefrit. Die Fürstin von Punt hält das Monopol auf Weihrauch und wird mir nicht einen einzigen vertrockneten Trieb überlassen.«
»Ich dachte auch nicht daran, die Setzlinge zu kaufen.«
»Soll ich sie stehlen?«
»Nicht stehlen, Euer Majestät. Schon Euer Vater hat die Wirtschaftsbeziehungen zu Punt militärisch erzwungen.«
»Ich soll also mein Leben riskieren, um dir deine Weihrauchbäume aus Punt zu holen? Ich habe den Eindruck, dass du mich möglichst bald in meiner Pyramide begraben sehen willst.«
»Die Pyramide wird erst in frühestens sechs Jahren fertig gestellt sein, Euer Majestät. Ich habe mich mit dem Oberschatzmeister Sinuhe unterhalten, der mir meine Berechnungen bestätigt hat. Das Gold in der Schatzkammer reicht nicht aus, um die Wirtschaftsdomäne von Mempi in der geplanten Größe zu errichten.«
»Den Krieg mit Punt werde ich verschieben müssen, denn mein nächster Feldzug wird in die westliche Wüste führen. Die libyschen Häuptlinge rebellieren und drohen in den nächsten Monden ins Untere Land einzufallen. Sie haben Gefallen am Reichtum von Kemet gefunden. Ich wäre dir dankbar, wenn du die Kosten für die Wirtschaftsdomäne auf die Hälfte reduzieren könntest.«
Einerseits war ich froh, dass ich nicht schwanger war, andererseits nicht. Ich war glücklich, weil ich ungehindert meiner neuen Tätigkeit als Bauleiterin nachgehen konnte, die meine ganze Kraft erforderte. Aber ich war unglücklich, weil ich mein Ziel nicht erreicht hatte, meiner Ehe mit Rahotep einen Sinn in Gestalt eines Thronfolgers zu geben.
Rahotep erkundigte sich erst nach meinem Zustand, als er von seinem Vater aufgefordert worden war, sich für die Wahl des Thronfolgers, deren Zeremonie traditionell im Ptah-Tempel stattfinden würde, vorzubereiten. Unsere Unterhaltung, die in Anwesenheit von Ti in seiner Wohnung stattfand, war denkbar kurz:
Er fragte mich, ob ich schwanger sei, und ich verneinte. Er fragte mich, ob ich bereit sei, ihn ein zweites Mal zu empfangen, um schwanger zu werden, und ich sagte Nein. Ich sehnte mich dermaßen nach Zuneigung und Sinnlichkeit, dass ich sogar mit Rahotep das Bett geteilt hätte, aber ich wollte dafür eine Gegenleistung, ein Zugeständnis seinerseits.
»Was willst du?«, fragte Rahotep.
»Meine Freiheit!«
»Ich verstehe dich nicht, Nefrit. Welche Freiheit?«
»Keine ständige Überwachung durch das Palastregiment. Verlassen des Palastes, ganz nach meinem Belieben mit oder ohne Eskorte. Keine Behinderung meiner Tätigkeit als Bauleiterin.«
»In Ordnung!«, sagte Rahotep. Ti nickte.
»Dann komm heute Nacht in mein Bett!«, forderte ich Rahotep auf.
Noch in dieser Nacht einigten Rahotep und ich uns darauf, uns künftig in Frieden zu lassen. Er ließ mich in Ruhe meine Arbeit auf der neuen Baustelle tun, und ich ließ ihn seine Affäre mit Ti ausleben. Rahotep und Ti trafen sich immer öfter, nicht nur nachts, sondern auch in Rahoteps Arbeitsraum. Ich fragte mich, wann einer der Schreiber etwas bemerken würde und sein Vater von der Affäre erfuhr.
Als die Planungsphase abgeschlossen war, fuhr ich in meinem Wagen zur Pyramidenbaustelle und suchte das Zelt des Bauleiters Kamose auf.
»Ein Bote des Königs hat deinen Besuch angekündigt, Nefrit.«
Wir setzten uns an den Zeichentisch. Kamose zeigte mir anhand der Pläne den Baufortschritt der Pyramide, den ich mittlerweile auch vom Dach des Palastes aus verfolgen konnte. Danach stiegen wir zusammen auf die oberste Plattform, die in den letzten Monden um etliche Ellen in die Höhe gewachsen war. Von dort oben hatte ich einen
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