Die Herrin der Pyramiden
dass dein geschätzter Bruder Nefermaat uns verlassen hat. Ich bedauere diesen Verlust, weil er es war, der uns den Frieden geschenkt hat. Und ich danke dir für dein Mitgefühl zum Verlust meiner Königin. Dein Botschafter erreichte mich in den Bergen von Guta, wo ich meine Feinde vernichtend schlug. Mein Bruder, ich habe nachgedacht über die Worte Nefermaats. Ich habe nachgedacht über deinen Wunsch nach Frieden zwischen unseren Völkern und bin zu der Überzeugung gelangt, dass wir das Einvernehmen zwischen uns durch einen engeren Knoten als bisher festigen sollten. Meine Tochter Ninsun ist sechzehn Jahre alt. Ich wünsche, dass du sie zur Königin machst. Sende deinen Boten mit deiner Antwort, welchen Hochzeitstermin deine Götter gutheißen, nicht nach Akkad. Er wird mich in den Steppen westlich der Städte Uruk und Larsa finden. Die Göttin Inanna beschütze dich, Bruder. Gruß, Scharrukena, König von Sumer.«
»Er ist wahnsinnig!«, war Kanefers einziger Kommentar, als er den Brief aus Akkad gelesen hatte.
»Sargon will Seneferu zwingen, seine Tochter zu heiraten. Der Brief ist ein Ultimatum, nicht wahr?«
»Sein Hinweis auf seinen künftigen Aufenthaltsort an seiner Westgrenze ist eine Unverschämtheit. Er droht meinem Vater! Inanna ist die Fruchtbarkeitsgöttin und gleichzeitig die Kriegsgöttin von Sumer. Du siehst, welch barbarisches Volk die Sumerer sind!«
Ich ließ von dem Brief eine Abschrift für Seneferu erstellen. Kanefer schloss sich in seinen Arbeitsraum ein, um eine diplomatische Antwort zu entwerfen. Gegen Abend rief mich der Wesir zu sich und las mir den Brief vor:
»Seneferu Nebmaat, Herr der Weltordnung, Sohn des Re, Eroberer der Fremdländer, Herrscher des Oberen und Unteren Landes, grüßt seinen Bruder König Scharrukena. Ich danke dir für deine freundlichen Worte über Nefermaats Leistungen während der Friedensverhandlungen. Mein Sohn Kanefer ist ihm im Amt nachgefolgt. Mein Bruder, ich habe über deine Worte nachgedacht und über deinen umsichtigen Vorschlag, deine Tochter Ninsun zu heiraten. Eine solche Verbindung zwischen uns wäre ein wirklich starker Knoten. Aber ich bin bereits einundvierzig Jahre alt, während die Prinzessin Ninsun erst sechzehn ist. Ich hoffe auf dein Verständnis, wenn ich Ninsun mit meinem Sohn verheiraten möchte. Sobald ich von der Eroberung der Länder des Sonnenuntergangs zurückgekehrt sein werde, erwarte ich deine Zustimmung. Die Götter von Kemet mögen auf deiner Seite sein, Bruder. Gruß, Seneferu Nebmaat.«
»Glaubst du, dass Sargon darauf eingehen wird?«, fragte ich Kanefer.
»Mein Vater wird niemals eine sumerische Prinzessin heiraten! Diesen Vorschlag brauche ich ihm gar nicht erst zu unterbreiten.«
»Wen soll Prinzessin Ninsun denn deiner Meinung nach heiraten?«
»Da wir König Sargon nicht beleidigen dürfen: Khufu oder Rahotep. Oder mich.«
»Würdest du das tun?«
»Ich würde sogar noch viel mehr tun, um den Frieden zu sichern.«
Eine Stunde später waren Sargons Brief und Kanefers Antwort unterwegs in die Oase Siwa zu Seneferu.
Fürst Sarenputs Amtsantritt in Mempi wurde mit einem Empfang gefeiert. Kanefer und seine Gemahlin Tiya und zweihundert hohe Würdenträger der Regierung seines Onkels waren Sarenputs Gäste. Fürst Tutmosis, sein Nachfolger in Weset, speiste an diesem Abend an seiner Seite. Tutmosis würde nach Seneferus Rückkehr aus der libyschen Wüste nach Weset abreisen.
Merit begleitete mich zu dem Empfang. Sie war im fünften Mond schwanger. Weil Merit und ich ohne unsere Ehemänner erschienen, wurden wir von zwei Prinzen begleitet. Merire wich nicht von Merits Seite. Ich sah ihr an, dass ihr Sekhems Begleitung lieber gewesen wäre. Hesire war mein Begleiter.
Während des mehrstündigen Abendessens hatte ich Gelegenheit, mich mit Hesire zu unterhalten. Ich fand mit ihm kein anderes Gesprächsthema als die Macht seines Gottes Atum. Abgesehen von seinem beschränkten Horizont an Gesprächsthemen war er ein leidenschaftlicher Mann. Er hatte Feuer in den Augen, und er ertränkte mich in der Flut seiner Worte. Er sprach von seinem Gott mit einer Leidenschaft, die ich von einem Verehrer seiner Geliebten gegenüber erwartet hätte.
Während des siebenten Ganges erlöste mich Sarenput. »Möge Atum mit dir sein, Prophet. Darf ich dir unsere geliebte Schwester Nefrit entführen?«
»Du darfst, mein Fürst«, antwortete Hesire.
»Nefrit, ich würde dir gern den Garten zeigen ...«
Ich erhob mich
Weitere Kostenlose Bücher