Die Herrin der Pyramiden
Klarheit.«
»Akzeptierst du meine Entscheidung, Kanefer?«
»Es ist das einzige Angebot, das Ihr König Sargon machen könnt.«
Seneferu schenkte sich einen Becher mit kühlem Wasser ein, den er in einem Zug leerte. »Wie denkst du darüber, Nefrit?«
Ich hatte mich bisher im Hintergrund gehalten und war erstaunt, dass er mich überhaupt wahrgenommen hatte. Ich zögerte. »Eure Antwort wird König Sargon nicht befriedigen, Majestät. Er ist ein Mann mit einem starken Willen.«
»Schade, dass ich ihn nie persönlich kennen gelernt habe, als er als Botschafter von Kisch in Pihuni weilte. Nefermaat hat sein Amt als Wesir zu gut ausgefüllt und die Verhandlungen allein geführt.«
»Sargon ist ein Eroberer. Er verhandelt nicht«, wagte ich zu sagen. Ich war selbst überrascht über meine ungeschminkten Worte.
Seneferu sah mich scharf an. »Sag mir ehrlich deine Meinung, Nefrit!«
»Ihr habt ihn mit Eurer Ablehnung herausgefordert!«
»Er hat mich herausgefordert mit seiner Forderung, seine Tochter zur Königin von Kemet zu machen.«
»Ich fürchte, dass er den Frieden brechen wird. Seine Truppen stehen in den Ländern östlich des Salzmeeres.«
»Er droht mir also?«
»Er hat noch nicht geantwortet, Majestät.«
In der gleichen Nacht traf der Brief von König Sargon ein. Der Bote erreichte das Ministerium der Fremdländer lange nach Sonnenuntergang. Ich war noch spät in meinem Arbeitsraum, um für Kanefer Khufus Berichte zum libyschen Feldzug zu sortieren.
Ich ließ die Keilschrifttafel von Meriteti übersetzen, den ich auf dem Weg nach Hause abfing. Wenig später legte er mir den in Bildzeichen niedergeschriebenen Text des Briefes auf Papyrus vor:
»Scharrukena von Akkad, Herrscher der vier Weltteile, König von Sumer, an seinen Bruder Seneferu Nebmaat, Herrscher von Kemet. Mit Trauer habe ich vom Tod deines Sohnes Aserkaf gehört. Möge die Trauer, die dein Herz erfüllt, durch den Erfolg von Khufu aufgewogen werden. Mit Erstaunen habe ich deinen Vorschlag der Heirat meiner Tochter Ninsun mit Kanefer zur Kenntnis genommen. Ich verstehe wohl dein Argument, dass du Ninsun als zu jung für dein Bett empfindest. Allerdings empfinde ich deine Zurückweisung meiner Tochter als nicht gut für den Frieden. Zeichen sind wichtig, mein Bruder! Um meinen guten Willen zu zeigen, erkläre ich mich bereit, eine Prinzessin aus deiner Familie zu heiraten. Sende mir eine Prinzessin nach Akkad, damit ich mit ihr das Band zwischen unseren Völkern weben kann. Ich werde meine Tochter Ninsun auf ihre Abreise vorbereiten. Mögen deine Götter mit dir sein, Bruder. Gruß, Scharrukena von Akkad.«
Kurz vor Mitternacht betrat ich den Arbeitsraum des Herrschers. Er war allein und sah überrascht auf. »König Sargon akzeptiert Euren Vorschlag nicht, Majestät!«
Ich reichte ihm das Schreiben aus Akkad, das er überflog. »Du hattest Recht, Nefrit. Wie immer!«
»Werdet Ihr seinen Vorschlag akzeptieren?«
»Nein. Ich habe eine Königin.«
»Ihr könntet Ninsun zu Eurer Nebenfrau machen.«
»Wenn ich noch einmal heirate, dann nicht aus politischen Gründen.«
»Aus welchem anderen Grund, Majestät?«
Er sah mich lange an, bevor er antwortete: »Aus Liebe.«
»Das ist ein Luxus, den Ihr Euch nicht leisten könnt, Majestät«, sagte ich und fügte an: »Es wird Krieg geben.«
»Das ist möglich.«
»Werdet Ihr ihm eine Prinzessin schicken?«
»Wer würde sich freiwillig bereit erklären, sich Sargon für den Frieden zu opfern?«
Wenn ich gewusst hätte, was mich im Palast des Wesirs erwartete, wäre ich an diesem Tag nicht auf die Baustelle der Wirtschaftsdomäne gefahren, um mich dort mit der Bauleitung zu treffen. Als ich am späten Nachmittag meinen Arbeitsraum im Ministerium aufsuchte, fand ich eine Nachricht von Kanefer: »Ich muss mit dir reden. Sofort.«
Kanefer war in einer Besprechung mit Sarenput, als ich eintrat. Ich stand in der Tür und starrte ihn an. Er starrte zurück.
»Ich glaube, ihr kennt euch«, konnte sich Kanefer nicht enthalten zu sagen. »Sarenput, würdest du bitte einen Augenblick draußen warten! Ich muss mit Nefrit allein sprechen.«
Sarenput erhob sich und ging an mir vorbei, ohne mich anzusehen.
»Du willst mit mir sprechen, Kanefer?«
»Tiya war heute Morgen bei unserem Vater. Er hat mich gefragt, ob du und ich eine Affäre haben.«
Ich setzte mich auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch und lachte.
»Mir ist die Pointe entgangen, Nefrit!«, fauchte Kanefer.
»Es
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