Die Herrin der Pyramiden
an der Wirtschaftsdomäne außerhalb von Mempi, bis zum Flussufer gegenüber den Steinbrüchen von Tura. Ein Barkenkapitän setzte uns ans andere Ufer über.
An diesem Tag passierten wir Iunu, weil Khufu den Pferden und den Menschen kaum eine Rast gönnte. Nachts schliefen wir auf unseren Matten unter freiem Himmel. Wir hielten uns nicht damit auf, Zelte zu errichten, und so schmiegte ich mich an die Männer, um mich an ihnen zu wärmen. Der Winter stand bevor, und es war nachts bereits kühl geworden.
Am nächsten Morgen brachen wir ebenso früh auf wie am Tag zuvor. Wir passierten den Tempel Perbastet und wandten uns dann in Richtung Osten zum Schilfmeer, an dessen Ufer wir die Nacht verbrachten.
Ich erwachte, als ich im Schlaf auf der Suche nach etwas Wärme meinen Kopf an Khufus Schulter gelegt hatte. Er hatte seinen Arm um mich geschlungen. Ich erhob mich, ohne ihn zu wecken, badete im Schilfmeer und wusch meine Haare.
»Du bist früh auf!«
Khufu stand am Ufer und sah mir beim Baden zu. Hatte ich ihn geweckt?
»War es dir unangenehm, Nefrit?«, fragte er.
Ich antwortete nicht.
Er entledigte sich seines Leinenschurzes und sprang in die Fluten. Mit einigen kräftigen Schwimmzügen war er neben mir. Mit beiden Händen packte er mich und zog mich an sich. Mein Kopf lag an seiner Schulter, seine Arme hatten meine Hüfte umschlungen und pressten mich gegen seinen Körper. »Ich habe es genossen, dass du in meinen Armen geschlafen hast!«, flüsterte er in mein Ohr. Dann küsste er beinahe zärtlich meine nasse Schulter.
An diesem Tag erreichten wir den Khatmia-Pass im Sinai. Wir lagerten unterhalb des Anstiegs, da die Nacht bereits hereinbrach und die Kälte auf der Passhöhe unerträglich sein würde. Die drei Regimenter waren wenige Wochen zuvor hier gewesen, denn wir fanden ausgebrannte und verwehte Feuerstellen und verscharrte Essensreste. Aus einem zurückgelassenen, zerrissenen Tuch errichtete Khufu mir eigenhändig ein kleines Zelt gegen die Kälte der Nacht.
In dieser Nacht lag ich lange wach und dachte nach. Irgendwann in den nächsten Tagen würde ich Rahotep begegnen. Wie schwer verwundet war er? Warum war ich aufgebrochen? Ich hatte keine ärztliche Ausbildung und konnte ihm ohnehin nicht helfen.
Dann überschritten wir den Pass und ritten weiter nach Osten. Jetzt waren wir in feindlichem Gebiet. Khufu trieb unsere Pferde gnadenlos an und duldete keine Rast. Je schneller wir uns bewegten, desto weniger wahrscheinlich schien ihm ein Angriff der Sinai-Stämme. Ich verstand sein Argument, nicht hundert, sondern zehn Männer mitzunehmen. Die Staubwolke, die unsere Pferde in der klaren Luft der Wüste aufwirbelten, würde hinter der nächsten Hügelkette nicht mehr wahrgenommen werden.
»Wie weit ist es noch?«, rief ich Khufu zu.
»Heute Nachmittag werden wir das Lager erreichen.«
»Glaubst du, dass Rahotep dort ist?«
»Wenn er noch lebt, wird er dort sein.«
Am frühen Nachmittag erreichten wir Djedefs Feldlager.
Bei unserer Ankunft trat er aus dem Zelt und begrüßte Khufu und mich. »Was tust du hier, Khufu? Ich dachte, dein Vater hätte dir befohlen, in Mempi zu bleiben!«
»Ich begleite Nefrit«, sagte er und sprang vom Pferd.
»Und was tut Nefrit hier?«, fragte Djedef, als würde er mich jetzt erst sehen. Er reichte mir die Hand, um mir aus dem Sattel zu helfen.
»Ich suche Rahotep. Ist er hier?« Ich sprang ab, ohne seine Hilfe in Anspruch zu nehmen.
»Er liegt in meinem Zelt.«
Ich stürmte an Djedef vorbei in das Zelt des Feldherrn. Rahotep lag auf einer Matte auf dem Boden. Er schlief. Unter dem dünnen Leinentuch, das ihm als Decke diente, sah ich den Verband, der seine gesamte rechte Seite von der Schulter bis zur Hüfte bedeckte. Ein Arzt kniete neben ihm und fühlte seinen Puls. Er hatte mein Eintreten nicht bemerkt und drehte mir den Rücken zu. Ungeduldig wartete ich, bis er fertig war, dann trat ich näher.
Dann erst sah ich sein Gesicht. »Sethi?«
Sethi war nach seinem Weggang aus dem Tempel des Ptah Arzt geworden. Sein Studium hatte es ihm erlaubt, das Haus des Todes aufzusuchen und sich dort in Medizin ausbilden zu lassen. Da ihm nur eine Position als Einbalsamierer angeboten worden war, war er dem Regiment des Ptah beigetreten. Sein Geliebter Senenmut war als Hauptmann im gleichen Regiment gewesen, hatte aber den Feldzug in das Zedernland nicht überlebt.
Sethi erklärte mir, dass ein Schwerthieb Rahoteps Seite von der Schulter bis zur Hüfte
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