Die Herrin der Pyramiden
Reiches statt. Sarenput und ich saßen neben dem Herrscherpaar und begrüßten die Gäste.
Die Titel blieben die gleichen, die Gesichter änderten sich: Maatkare war Fürst von Mempi, der Priester Merire war Oberschatzmeister des Reiches. Ti war vor wenigen Wochen zum Kriegsminister ernannt worden. Die Gesichter blieben die gleichen, die Funktionen änderten sich: Khufu trug die Uniform eines Generals und die Abzeichen des Oberkommandierenden der Regimenter, Rahotep hatte das lange Gewand des Hohepriesters des Re angelegt.
Und bei manchen Menschen schien sich nie etwas zu ändern. Sie wurden nur älter. Ich war erfreut, dass Kamose meiner Einladung gefolgt und nach Mempi gekommen war. Sein Gesicht zeigte die gleichen Risse wie das Fundament der Knickpyramide, dabei war Kamose erst siebenundvierzig Jahre alt.
Seneferu, der bemerkt hatte, wie gern ich mich mit Kamose unterhalten hätte, aber durch das Zeremoniell daran gehindert wurde, winkte ihn zu sich heran. »Wie ist der Baufortschritt an meinem Grabmal, Kamose?«
»Es geht gut voran, Euer Majestät. Wir werden in wenigen Wochen die Pyramidenspitze aufsetzen können.«
»Ich will dabei sein, wenn die Pyramide vollendet wird.«
Damit war Kamose entlassen. Er warf mir einen langen Blick zu, bevor er sich abwandte, um zu den Gästen zurückzukehren.
Nach dem Festmahl traf ich Kamose allein im Garten. Er starrte in den Nachthimmel, als ich mich näherte. »Du siehst traurig aus!«
»Ich bin traurig, Nefrit.«
»Warum?«
»Seit Jahren will ich eine dieser verfluchten Pyramiden zu Ende bauen, und jede Bauplanänderung bringt mich weiter von ihrer Vollendung weg. In wenigen Wochen wird die Pyramide von Pihuni fertig gestellt sein. Seit zweiundzwanzig Jahren baue ich Pyramiden, erst als Steinschlepper, dann als Aufseher, jetzt als Bauleiter.«
Ich setzte mich neben ihn, zog die Sandalen aus und legte die Füße auf den Stuhl gegenüber. In der Dunkelheit des Gartens würde mich niemand sehen. »Du bist der beste Bauleiter des Reiches. Niemand sonst kann Pyramiden bauen.«
»Das mag sein. Aber ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn dieses verdammte Grabmal endlich fertig gestellt ist.«
»Der König wird eine andere Aufgabe für dich finden, Kamose.«
»Ich will keine andere Aufgabe.« Er trank einen Schluck aus dem Becher, den er sich aus dem Saal mitgebracht hatte.
»Seneferu hat zwei Pyramiden, wenn auch die eine aussieht wie ein in sich zusammengefallener Hefekuchen. Er wird keine dritte bauen.«
»Wohin werden all die Arbeiter gehen, die seit einem Vierteljahrhundert Steine bewegt haben, um die königlichen Grabmäler in der Wüste aufzutürmen? Wohin werde ich gehen?«
»Der König plant eine Wirtschaftsdomäne außerhalb von Tis, ganz in der Nähe unseres Dorfes. Du könntest nach Hause zurückkehren.«
»Die Pyramide ist mein Zuhause.«
»Was ist mit dem Kanal zwischen dem Hapi und Pihuni?«
»Ich will keine Löcher in die Wüste graben. Der Fürst hatte mich schon gebeten, das Bewässerungssystem rund um die Oase in Stand zu setzen.«
»Die Hafenanlage von Tanis?«
»Die ist ohnehin bald fertig.«
»Die Grenzfestungen im Sumpfland sind noch nicht fertig.«
»Nein!«
»Der Amun-Tempel von Karnak?«
»Nein!«
»Wenn du noch eine Pyramide bauen willst, solltest du dich mit Sarenput unterhalten. Er wird der nächste Interessent für ein solches Bauwerk sein!«
»Ich werde in der Tat eine Pyramide bauen!«, sagte Sarenput, der sich uns unbemerkt genähert hatte. »Ich habe dich gesucht, Nefrit«, flüsterte er mir ins Ohr, während er mich küsste.
Kamose erhob sich und verneigte sich tief vor Sarenput.
»Ich habe auch schon eine Idee, wo sie stehen soll.«
»Du hast mit mir nie darüber gesprochen, Sarenput!«
»Wir hatten in den letzten Wochen wenig Gelegenheit, über irgendetwas zu sprechen, meine Geliebte!«
»Wo …?«
»Gegenüber der Pyramide, auf dem Plateau von Mempi. Aber an einer Stelle, wo sie nicht einstürzen kann. Meine Pyramide wird für die Ewigkeit gebaut werden.«
»Wann soll der Baubeginn sein, mein Prinz?«, fragte Kamose.
»In den nächsten Wochen. Sobald du Seneferus Grabmal fertig gestellt hast, Kamose, wirst du die Bauleitung übernehmen. Mein Onkel hat dem Baubeginn bereits zugestimmt. Die Arbeiter können nach dieser langen Bauzeit nicht einfach in ihre Dörfer entlassen werden. Sie sind seit Jahren daran gewöhnt, durch den Staat versorgt zu werden. Ich werde sie weiter beschäftigt halten.«
»Ich danke
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