Die Herrin der Pyramiden
Seneferu, Sarenput, Rahotep und Khufu sprachen Recht, taten die Maat und legten die jährliche Steuer fest. Die Flut war auch in diesem Jahr sehr hoch gewesen, und die zu erwartende Ernte war wie in den Vorjahren reichlich.
Während der König und die drei Prinzen in Abodu Audienzen gaben, saßen Merit und ich bei einem Becher Guavensaft im Garten des Fürstenpalastes. Merit war im achten Mond schwanger, und ich fragte sie nach ihrem Gesundheitszustand.
»Interessiert es dich wirklich? Mir scheint, du bist im Augenblick mit anderen Dingen beschäftigt.«
»Wenn es mich nicht interessierte, Merit, würde ich dich nicht fragen. Sicherlich habe ich im Ministerium und auf der Baustelle viel zu tun, und meine Pflichten als Gemahlin des Thronfolgers sind auch nicht wenige, wie du sicher weißt.«
»Du hast dich nicht verändert. Zum Glück ist dir dein Erfolg nicht zu Kopf gestiegen, Nefrit.«
»Ich bin froh, dass du mir nicht vorhältst, ich hätte dich um deinen Rang als zukünftige Königin von Kemet gebracht.«
»Ich wollte ohnehin nie Königin werden, Nefrit. Und nur so habe ich die Chance, dass Khufu mich irgendwann in Ruhe lässt. Er schwängert mich regelmäßig wenige Wochen nach der letzten Geburt. Seine Dynastie kann nicht groß genug sein. Ich wünschte, ich hätte eine sinnvollere Aufgabe.«
»Und ich wünschte, ich hätte weniger zu tun, um mich mehr meinem Gemahl widmen zu können.«
»Ihr seht euch nicht oft?«
»Unsere Zeremonienmeister vereinbaren mittlerweile Termine für die Abendstunden, damit wir uns überhaupt sehen.«
Nachdenklich streichelte Merit ihren Bauch. »Bist du schwanger?«
»Nein, noch nicht.« Ich wusste nicht, ob ich überhaupt in der Lage sein würde, Sarenput Kinder zu gebären. Die Verletzungen während Amenemhets Attentat auf Seneferu waren schwer gewesen. Ich mied das Thema, sooft es ging. »Wann wird Khufus Kind kommen?«
Merit zögerte. »Es ist nicht Khufus Kind, Nefrit.«
»Wer ist der Vater? Sekhem?», fragte ich.
»Ja.«
»Weiß Khufu davon?«
»Er vermutet etwas. Ich glaube, er lässt mich beobachten. Er hasst es, wenn er betrogen wird.«
»Aber er liebt dich nicht.«
»Er betrachtet mich als sein Eigentum.«
»Weiß Sekhem von seiner Vaterschaft?«
»Ich weiß nicht, wie er darauf reagieren würde, wenn er es wüsste.«
»Was willst du tun?«
»Was kann ich denn tun, Nefrit? Das Kind wird in sechs Wochen geboren, und ich kann nur zu Hathor beten, dass es mir und nicht Sekhem ähnlich sieht.«
Nach den Gerichtsverhandlungen traf Sarenput mit seinem Gefolge im Garten ein. »Seneferu will heute Nachmittag mit seinen Söhnen die Königsgräber besuchen. Ich habe gesagt, ich hätte Kopfschmerzen und wollte mich hinlegen. Lass uns die Chance nutzen.«
Ich erhob mich und entschuldigte mich bei Merit für Sarenputs ungestümes Verhalten. »Wir sind in ein oder zwei Stunden zurück«, kündigte ich an.
»Es könnte auch länger dauern«, lachte Sarenput und küsste mich leidenschaftlich.
Dann wies er sein Gefolge an, im Palast auf ihn zu warten, und bestieg mit mir seinen Wagen. »Wo ist eigentlich dein Schatten?«, fragte er mich während der Fahrt.
Ramesse, der mir von Seneferu in Abwesenheit meines Gemahls als ständiger Begleiter zugeteilt worden war, hatte sich den ganzen Nachmittag nicht blicken lassen. Ich hatte eine Wache losgeschickt, um ihn zu suchen, aber niemand wusste, wo er sich aufhielt. Ich wusste, dass Ramesse, der vor Jahren mondelang die Beiden Länder bereist hatte, überall Freunde hatte, und vermutete, dass er sich mit einem seiner Bekannten in Tis traf.
»Er ist unauffindbar«, sagte ich.
»Er hat als Kind schon gern Verstecken gespielt. Hesire und ich konnten ihn nie finden, wenn er es nicht wollte.«
Sarenput trieb seine Pferde zum Galopp und ich musste mich an ihm festhalten, um nicht vom Wagen zu fallen. Er war in ausgelassener Stimmung, weil er für zwei Stunden dem Hofzeremoniell entkommen konnte. Er sprang ab, sobald das Gespann vor der im Hafen von Tis ankernden Sonnenbarke zum Stehen gekommen war, nahm mich bei der Hand und führte mich an Bord. Seine Kabine wurde gerade für die Nacht hergerichtet. Sarenput schickte die Dienerinnen fort und schloss die Tür hinter sich.
»Ich weiß nicht, ob ich König werden will, Nefrit. Ich sehe dich jetzt schon so selten!«
»Rede keinen Unsinn, Sarenput! Sei froh, wenn sich Seneferu so viel Zeit nimmt, dich gründlich auf deine künftigen Aufgaben vorzubereiten.«
»Ich sehne
Weitere Kostenlose Bücher