Die Herrin der Pyramiden
nach meiner Tochter Merit, die den Thron erben wird. Tiya ist unverheiratet, und nach dem Gesetz müsste ich meine Tochter ehelichen. Doch ich verzichte zu deinen Gunsten auf dieses Privileg und sende dir Tiya zur Gemahlin. Mach sie zu deiner Königin, mein Bruder. Deine Söhne Urnammu und Rimusch werden Tiya nach Akkad geleiten, meine Söhne Djedkare und Neferatum werden sie begleiten. Gruß, Seneferu Nebmaat.«
»Wie wird Sargon darauf reagieren? Du lässt ihm wenig Alternativen.«
»Entweder er heiratet Tiya, oder er lässt es bleiben!«, sagte Kanefer.
»Oder der Krieg beginnt erneut«, fügte ich an.
»Das glaube ich nicht. Ich habe mich gestern lange mit Rimusch unterhalten. Auch die sumerischen Staatskassen sind leer. Sargon hat eine Expedition nach Tilmun geschickt und eine zweite auf die Inseln des Nordmeeres. Außerdem führt er gerade in Subartu Krieg. Er hat kein Gold mehr, um Kemet anzugreifen.« Dann schwieg er. Seine Gedanken schienen woanders zu sein.
»Was ist los mit dir?«, fragte ich ihn. »Hast du Sorgen?«
Er antwortete nicht, lief unruhig durch mein Arbeitszimmer.
»Warum setzt du dich nicht einen Moment und überlegst, was du mir sagen willst?«
»Das habe ich schon die ganze Nacht getan«, seufzte er.
»Also?«
»Ich suche noch den Anfang meiner Rede.«
»Kanefer! Du bist doch sonst nicht um Worte verlegen.«
»Es ist ... wegen dem, was ich dir vor ein paar Tagen in deinem Schlafzimmer sagte. Ich habe mich entschlossen, endlich wieder zu heiraten.«
»Das freut mich für dich, Kanefer! Ich dachte, du würdest nie wieder heiraten!«
Er war stehen geblieben und sah mich sehr ernst an.
»Könntest du mich lieben, Nefrit?«, fragte er plötzlich.
»Ich habe dich gern, Kanefer. Aber ich liebe dich nicht.«
Enttäuscht ließ sich Kanefer auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch fallen.
»Hattest du eine andere Antwort erwartet?«, fragte ich vorsichtig.
»Ich hatte darauf gehofft. Die Frage war es wert, gestellt zu werden. Du liebst einen anderen, nicht wahr?«
Ich nickte und sah ihm in die Augen.
»Und er liebt dich?«
Ich nickte wieder.
Kanefer erhob sich und verließ wortlos den Raum.
»Du läufst immer noch vor mir weg, Nefrit!«
»Ich laufe nicht weg, Majestät.« Ich entrollte den nächsten Papyrus, den er lesen sollte. Doch Seneferu warf seinen Pinsel auf den Tisch und erhob sich.
»Wir sind allein!«, sagte er, als er hinter mir stand.
»Das weiß ich, Majestät.«
»Ich weiß, dass du es weißt, Nefrit. Warum handelst du nicht entsprechend?«
»Was wünscht Ihr von mir, Majestät?«
»Was ich wünsche? Spielt es eine Rolle für dich, was ich wünsche?«
»Ihr seid der König. Ihr habt alle Macht in Euren Händen.«
»Das ist wahr. Ich regiere fast zwei Millionen Menschen. Nur über einen einzigen Menschen habe ich keine Macht.«
Ich schloss die Augen.
»Ein einziger Mensch widersetzt sich mir, nur ein einziger in meinem ganzen Reich. Und der allmächtige Herrscher muss ohnmächtig zusehen, wie sie sich an einen anderen verschenkt.«
Der Papyrus in meiner Hand zerbrach unter dem Druck meiner Finger. »Ich habe mich nicht verschenkt.«
»Deine Ehe mit Rahotep war mir unerträglich. Aber als du Sarenput geheiratet hast, drohte mein Herz zu zerspringen. Dann hat Kanefer mich vor einigen Tagen um Erlaubnis gebeten, dich zu heiraten, und ich habe es ihm verweigert. Und jetzt Khufu «
»Khufu?« Ich war aufgesprungen und drehte mich zu ihm um.
»Das Gerücht kursiert schon seit Monden, dass du mit meinem Sohn …«
»Hathor möge verhüten, dass ich jemals in Versuchung komme, Khufu in mein Bett zu bitten!«
»Bitte mich!«, flüsterte er. »Denn ich habe keine Macht über dich, Königin meines Herzens!«
Wir hatten alle Zeit der Welt für unsere Gefühle. Nichts und niemand konnte uns stören in unserer stummen Leidenschaft. Wir sprachen die ganze Nacht kein einziges Wort. Es gab nichts zu sagen. Gesten und Blicke waren alles, was zählte.
Ich erwachte in seinen Armen. Ich wusste nicht, wie lange er schon wach war und mich angesehen hatte.
»Die Sonne geht gleich auf. Ich muss gehen«, sagte ich.
»Ich werde der Sonne befehlen, später aufzugehen. Ich bin der Herr der Weltordnung. Bitte bleib noch!«
Ich lachte und küsste ihn. »Hältst du es für klug, wenn deine Diener mich in deinem Bett finden?«
»Es wird Rahotep nichts ausmachen.«
»Rahotep?«
»Ich wünsche, dass du ihn wieder heiratest.«
»Dann war das Arrangement, das er
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