Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
Rattenfänger. »Die Königin hat den Duke of York rausgeschmissen und alle seine Minister auch. Sie schickt ihn wieder nach Irland, und dann können sie und ihre Günstlinge weiter das Land ausbeuten. Gott stehe uns bei!«
»Woher hast du das?«, fragte die Frau.
»Von einem Hausierer, der gerade aus London angekommen ist. Ich hab ihm ein Pint gekauft, und da hat er’s mir erzählt.«
»Nee, York ist nicht blöd, Gott segne ihn! Der geht nicht«, sagte der andere Mann. »Er weiß, was die Französin ausheckt. Das letzte Mal, das sie ihn nach Irland verbannt hat, wollte sie ihn schon auf dem Hinweg ermorden lassen – und auf dem Rückweg auch. Und in Irland hat er sich sehr gut gemacht, sodass jetzt alle Iren auf Yorks Seite sind. Nee, die wagt nicht, ihn wieder dahin zu schicken. Ich hab gehört, er ist unterwegs nach London, wo er ihr ins Gesicht sagen will, dass er sich weigert.«
»Ich würd ja gern wissen, wer der Vater vom Sohn von der Königin ist, von Prinz Edward«, meinte die Frau. »Der fromme Harry war’s jedenfalls nicht, darauf verwette ich mein Hinterteil. Der Mann ist ein Mönch, und ein Heiliger noch dazu, Gott segne unseren König Henry.«
» Jeder weiß, dass es nicht der fromme Harry war, Weib! Wir sind nicht blöd. Du willst doch bloß wetten, damit du verlierst!« Der Rattenfänger lachte. »In Wahrheit heulst du uns an, dir auf dein Hinterteil zu springen, gib’s zu!«
»Möge der Herr dir dein faltiges Genick brechen! Ich mag kein altes Fleisch«, erwiderte sie.
Der Rattenfänger lachte nur noch lauter. »Ich setze auf Somerset«, sagte er ernster. »Vater oder Sohn.«
»Keiner kann wissen, ob es Somerset oder Suffolk war«, erwiderte der andere. »Oder keiner von ihnen. Vielleicht war’s auch Wiltshire. Kann sein, dass die Königin es selbst nicht mehr weiß. Sicher ist allemal, dass es König Harry nicht war. Als die ihm das Kind hinschoben, war er genauso verdattert wie alle anderen.« Er schnaubte hämisch. »›Muss vom heiligen Geist sein‹, das hat er gesagt.«
Die drei grölten vor Lachen.
»Immerhin zeigt es, dass er wahnsinnig ist, aber kein Narr«, kicherte die Frau.
Wieder lachten sie. Meine Angst war jedoch bei ihrem Gerede noch gewachsen.
Als wir weiter nach Barnet galoppierten, dachte ich über das nach, was ich im Wirtshaus gehört hatte, und fragte mich, was aus dem Königreich werden sollte – und aus meinen Hoffnungen und Träumen. Neben uns ragten Kirchtürme bis in die grauen Wolken auf, und ich betete stumm: Gott, Allmächtiger, erbarme dich Englands und Sir John Nevilles!
Endlich tauchte über den weichen Hügeln vor uns der klobige Turm von Barnets Hadley-Kirche auf. Wir hielten im Galopp auf die Kirche zu, und mein Herz klopfte im Takt der Hufschläge. Auf dem Kirchhof rutschten wir von unseren Sätteln, banden die Zelter an einen Holzpfahl und folgten dem Weg zwischen Grabsteinen hindurch zum Kirchenportal. Die Tür ächzte und quietschte, als wir hineingingen. Im fahlen Licht, das durch ein hohes Fenster hineinfiel, brauchten meine Augen einen Moment, ehe sie etwas erkennen konnten. Dann sah ich den Priester, der über ein paar Blumen auf dem Altar gebeugt war.
»Vater!«, rief ich und lief den Mittelgang hinauf. »Bitte verzeiht unser Eindringen, aber wir müssen dringend den Earl of Warwick und seine Mitreisenden finden. Könnt Ihr uns bitte den schnellsten Weg zu ihnen weisen?«
Der Priester richtete sich auf, und als er uns ansah, verschwitzt und mit fleckigem Habit, verfinsterte sich seine Miene. »Schwestern, Ihr seid eine Schande für Euer Kloster. Was soll diese …«
»Vater, wir bedauern unser unziemliches Auftreten sehr, aber es stehen Leben auf dem Spiel und noch vieles andere mehr. Bitte, sagt uns, wo sie sind!«
Leider ging es noch eine Weile in dieser Fasson hin und her, und wir mussten die Nachricht des Duke of Buckingham vorzeigen, um den Priester von der Dringlichkeit unserer Mission zu überzeugen. Schließlich jedoch führte er uns nach draußen.
»Sie sind eben erst angekommen und haben dort in der Stadt Unterkunft gefunden. Von hier aus seht Ihr beinahe schon das zweistöckige Haus, hinter der Pferdeweide, in dem sie die Nacht bleiben wollen.« Er zeigte hin und beschrieb uns den schnellsten Weg zu dem Gasthaus.
Wir stiegen wieder auf unsere Pferde und galoppierten weiter.
Die Dämmerung setzte ein, als wir in Barnet eintrafen. Auf dem Dorfplatz waren Fackeln entzündet worden, und Männer liefen mit ihren Pferden
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